: Bremer Polizei spielt Rambo
Einsatz des SEK endete mit zwei Toten: Ein Mann erschießt sich und seine mutmaßliche Geisel, als Polizisten die Tür seines Hotelappartements in Bremen aufsprengen ■ Aus Bremen H. Bruns-Kösters
Zwei Tote und erneut erhebliche Zweifel an dem Einsatzkonzept der Bremer Polizei - das ist das Ergebnis einer Aktion des Sondereinsatzkommandos (SEK). Sechs Beamte des SEK hatten um 6.49Uhr die Tür zu einem Hotelappartment in der Bremer Innenstadt aufgesprengt. In dem Zimmer fanden sie den 30 Jahre alten Christian Klems und die gleichaltrige Bettina Lückermann. Die Frau lag mit mehreren Schüssen in der Brust im Sterben, Klems hatte sich in den Mund geschossen und war bereits tot.
Klems hatte am Freitag im westfälischen Espelkamp seine 26jährige Verlobte erschossen und einen Gastwirt schwer verletzt. Danach war er mit Bettina Lückermann über das niedersächsische Sulingen nach Bremen geflohen. Unklar ist, ob Klems Lückermann gezwungen hatte ihn zu begleiten. Zumindest in dem Bremer Hotel konnte sich die Frau nach Augenzeugenberichten frei bewegen.
Die Bremer Polizei war in der Nacht zum Mittwoch von der Polizei in Bielefeld informiert worden, daß sich Klems vermutlich in Bremen aufhalte. Gegen 4.00Uhr morgens stand dann fest, um welches Hotel es sich handelt. In Absprache mit der Polizei in Bielefeld wurde eine Zugriffskonzeption entwickelt, die vorsah, den Täter beim Verlassen der Wohnung zu überwältigen. Die Polizei in Bielefeld überwachte zudem das Telefon in dem Appartment. Aus einem Gespräch, das Bettina Lückermann um 5.30Uhr führte, geht hervor, daß sich die etwa 20 eingesetzten MEK- (Mobiles Einsatzkommando) und SEK-Beamten vor Ort vermutlich wieder allzu auffällig benommen haben. Lückermann sagte ihrer Schwester laut Auskunft der Polizei, daß Klems glaube, daß Polizei draußen sei. Der Bremer Polizeiführer ordnete daraufhin, „um in dieser Situation Gefahren für die Begleiterin des Christian Klems und andere unbeteiligte Hotelgäste abzuwehren“, (Polizeibericht), den sofortigen Zugriff an.
Die Polizei behauptet bislang, daß die Beamten lediglich einen Schuß gehört hätten. Dies deutet daraufhin, daß Klems Bettina Lückermann in dem Moment erschoß, als die Polizei die Appartmenttür sprengte, um, so Polizeidarstellung, „den Täter abzulenken“.
Bremens Polizeipräsident Rolf Lüken mochte der Presse gestern Fortsetzung Seite 2
nicht den Namen des Einsatzleiters verraten, um ihn „vor öffentlicher Kritik zu schützen“. Aus anderer Quelle wurde jedoch bekannt, daß es sich dabei um Hartmut Schmöe handelt. Hartmut Schmöe hatte sich vor dem Bremer Untersuchungsausschuß, der anläßlich des Gladbecker Geiseldramas eingesetzt worden war, als Kritiker des damaligen Einsatzleiters Möller und Verfechter des finalen Rettungsschusses profiliert.
Der Bremer Innensenator Peter Sakuth, Nachfolger des über das Geiseldrama vom August 1988 gestürz
ten Bernd Meyer, wurde nach Auskunft der Polizei nicht vorab von dem Rambo-Manöver informiert.
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