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Herr Sachbearbeiter kriegt PC...

■ ...Frau Schreibkraft braucht Selbstbehauptungstraining / PC in Bremens öffentlicher Verwaltung

Der Herr Sachbearbeiter, wie wir ihn aus den PC-losen Zeiten noch kennen, tippt selbstverständlich nicht selbst. Dafür gibt es schließlich Diktiergeräte, Kladden, Kontoristinnen und Schreibkräfte. Der Herr Sachbearbeiter, wie er jedoch von Grünpflanzen und antistatischen Teppichböden umgeben im „Büro der Zukunft“ sitzt, hat einen PC vor sich, und wenn er die anfängliche Hemmungen überwunden hat, nimmt er den Dialog mit dem System mit zunehmerder Freude auf. Doch was wird aus Frau Schreibkraft im Zeitalter der „durchgängig elektronischen Bearbeitung von Vorgängen“? In fast allen Schaubilder zum „Büro der Zukunft“ ist sie schlicht weggefallen. Doch noch sind im Büro der Gegenwart 35 Prozent aller erwerbstätigen Frauen beschäftigt.

In der Bremer öffentlichen Verwaltung hielten die Computer im April 1988 Einzug, mit etlichen Jahren Verspätung gegen

über der Privatwirtschaft. Eine „Dienstvereinbarung“ zwischen PersonalrätInnen und öffentlichem Arbeitgeber sollte für eine „sozialverträgliche Technikgestaltung“ sorgen. Vereinbart wurde, die „betroffenen Mitarbeiter/innen zu beteiligen“ und ihre Tätigkeit so „anzureichern“, daß sie nur vier von acht Stunden täglich am Bildschirm zu verbringen haben. „Mischarbeit“ nennt sich dieses schöne Konzept, das verhindern soll, daß die Schreibkräfte nur noch unqualifizierte stressige Bildschirmarbeit verrichten und im nächsten Rationalisierungsschritt umgesetzt oder ganz entlassen werden. „Mischarbeit“ setzt jedoch erstens voraus, daß die hierarchiebewußten Herren (und Damen) Sachbearbeiter bereit wären, Teile ihrer hoheitlichen oder Dipl.Ing. -Aufgaben an die niederen Damen Schreibkräfte abzugeben. Und zweitens, um die Frauen in den zentralen Schreibdiensten für

diese Mischarbeit zu entlasten, selbst ein Teil ihrer Schreibarbeit mit dem PC zu erledigen.

Gabriele Winker und Gisela Schwellach vom „Beratungszentrum der Bremischen Verwaltung“ sind tagtäglich mit dem Umsetzen der „Dienstvereinbarung“ befaßt. In einem Sketch demonstrierten sie auf der Tagung „Frauenwelt Computerräume“ erfrischend und deutlich, woran schöne Konzepte tagtäglich scheitern.

Erstens wird nur selten eine Kollegin Schreibkraft hinzugebeten, wenn mann über das Einführen der Terminals berät. Falls tatsächlich einmal eine Kollegin in der Expertenrunde dabei sitzt, wird sie die Anwesenheit ihres Chefs nicht animieren, frei über ihre Bedenken und Wünsche zu sprechen. Zweitens führt die Behördenhierarchie dazu, daß sich die Herren Sachbearbeiter sehr sträuben, „einer Schreibkraft, die gar nicht verwaltungstechnisch

qualifiziert ist“ Aufgaben abzugeben - „außer dem Schrott“. Statt Hierarchien abzubauen, bringen die PCs in der Bremer Verwaltung neue Hierachen hervor: die Koordinatoren. Das sind forsche Männer, die sich trotz gleicher Ausbildung wie die Frauen diese neue Stellung erobert haben. Sie erstellen Textbausteine, richten Dateien ein, entmischen die Arbeit der Frauen weiter - so daß eine Schreibkraft volle acht Stunden vorm Bildschirm absitzt.

Gabriele Winker und Gisela Schwellach, die damit rechnen, daß langfristig auch in der öffentlichen Verwaltung die Schreibkräfte überflüssig werden, wußten jedoch auch Rezepte für weibliche Gegenwehr: Behördenbezogene Frauengruppen, Technikkurse für Frauen und Selbstbehauptungstraining - in diesem Herbst in Bremen erstmals den Kolleginnen angeboten.

Barbara Debus

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