: Trip verschoben
■ Protokollfragen verhindern geplante Reise Walter Mompers nach Moskau noch in diesem Jahr
Walter Momper will frühestens in einem Jahr, wahrscheinlich aber erst im Frühjahr 1991 nach Moskau reisen. Dies verlautete gestern aus Senatskreisen. Nachdem der sowjetische Botschafter im Juli Momper nach Moskau eingeladen hatte, war von seiten des Senats der Eindruck erweckt worden, als würde die Moskau-Reise ziemlich bald über die Bühne gehen. Dies wäre der erste Besuch eines Berliner Regierenden Bürgermeisters in der sowjetischen Hauptstadt.
Wie jetzt zu hören war, will der Senat dem Ministerpräsidenten Baden-Württembergs, Lothar Späth, nacheifern, der vor allem mit Wirtschaftsaufträgen aus Moskau zurückkam. Auch Mompers Moskau-Reise wird demnach nicht nur als politischer Besuch geplant, sondern soll die Sowjets für die wirtschaftliche Kooperation mit Berlin interessieren. Der Senat hält dafür offenbar eine längere Vorbereitungszeit für sinnvoll.
Allerdings spielt auch eine entscheidende Rolle, daß Walter Momper demnächst den Vorsitz des Bundesrats übernehmen wird und damit die Bindung Berlins an den Bund in seiner Person dokumentiert ist. Für die Sowjets würde dies bedeuten, daß Momper die Anerkennung der Bundeszugehörigkeit Berlins quasi „durch die Hintertür“ ins Moskauer Protokoll einführt. Bei den Gesprächen, die in den letzten Wochen mit der sowjetischen Seite stattgefunden haben, gewann der Senat offenbar den Eindruck, daß dies der sowjetischen Seite erhebliche Probleme bereitet.
Mompers Funktion im Bundesrat hätte damit die ohnehin zu bewältigenden statusrechtlichen und politischen Probleme enorm zugespitzt. Protokollarisches Kopfzerbrechen bereitet vor allem die von sowjetischer Seite vertretene Drei-Staaten -Theorie, wonach West-Berlin ein eigenes staatliches Gebilde ist und nicht von der Bundesrepublik vertreten wird. Berlin dagegen betont immer wieder die Zusammengehörigkeit mit dem Bund.
Bisher waren die Besuche von Regierenden Bürgermeistern an der Weigerung Moskaus gescheitert, eine Begleitung durch einen Vertreter der Bonner Botschaft zu gestatten. Auch der rot-grüne Senat bestehe auf einer „deutlich sichtbaren diplomatischen Begleitung von höherem Rang“ für den Regierenden Bürgermeister, hatte Senatssprecher Kolhoff im Juli erklärt.
ap/taz
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