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Frau & Computer: „Was ist das Glück?“

Erste Bundestagung ging in Bremen zu Ende / Informatik-Spezialistinnentum, Fachüberschreitung und Feminismus  ■  hier das Logo

Computer-Frauenkopf

Eine eigenwillige wie sympathische Mischung aus feministischer Sommeruniversität, informationstechnischem Kongreß, Computerkurs, Fachsimpelei und Spezialistinnentum, permanenter Fachüberschreitung und akribischer Wissenschaftsakrobatik: Gestern ging die erste viertägige Bundestagung „FRAUEN WELT COMPUTER RÄUME“ in Bremen zu Ende. Noch sind es erst 300 Frauen, die sich innerhalb der Standesorganisation „Gesellschaft für Informatik“ (GI, rund 14.000 Mitglieder, immerhin 20 Prozent Frauen) seit zwei Jahren als Frauenfachgruppe (rund 300 Mitstreiterinnen) zusammengeschlossen haben. Die Bremer Tagung war nun der erste vernehmliche Paukenschlag (vgl. taz v. 22.9., Sonderseite 23.9.).

Die Organisation klappte, die Finanzen stimmen. Die Vorbereitungsfrauen nahmen ohne ideolo

gische Scheuklappen Spenden, Räume, Geräte und Sachmittel von SponsorInnen wie IBM, Sparkasse, Wirtschaftssenator und Datenfirmen, Uni, Angestelltenkammer und Landeszentrale. Der Wissenschaftsverlag Springer, Heidelberg, produzierte vorab einen dicken Reader mit Zusammenfassungen und konnte es sich nicht verkneifen, im Vorwort von „Sonderfall“ und der „Hoffnung auf ernsthafte Forschungsarbeiten“ zu schwadronieren.

„Wir haben das Themenspektrum - als Auftakt - breit angelegt“, erklärte gegenüber der taz die Informatikerin und Mit-Vorbereitungsfrau Doris Köhler, „kommende Tagungen können dann mehr in die Tiefe gehen und sich auf engere Fragen spezialisieren.“ In großen Podiums-Runden und kleinen Seminaren diskutierten die Frauen (und wenige Männer, die nicht ausgeschlossen waren und wenig störten) Forschungsergebnisse und Fragwürdigkeiten des behaupteten weiblichen Zugangs zur Informatik und der Konsequenzen für Aus-und Weiterbildung, gingen auch mit der „vegetativen Idealisierung“ hart ins Gericht.

Technikfeindlichkeit im Sinne

von weiblichem Rückzug aufs Handwerklich-Idyllische lag nicht an. Die Devise hieß: Technik gestalten - aus der Sicht der Gewerkschafterin, die sozial akzeptierbare Systeme und Freiheit durch Freizeit und Dezentralisierung eingeführt wissen will, aus der Sicht der Systemanalytikerinnen und Programmiererinnen, die in der samstäglichen „Werkstatt“ auf Rechnern der Angestelltenkammer über funktionale Programmierprachen, Online-Systeme, Tabellenkalkulation und Produktplanung arbeiteten, aus der Sicht von Kulturphilosophinnen und Gesellschafts-Wissenschaftlerinnen, die biographische, ökonomische und psychologische Barrieren und Chancen für Frauenkarrieren und Verweigerungen erörterten.

Daß Computernutzung eben

nicht nur binär-bornierend wirke, sondern im Gegenteil kreative Entfaltung gerade möglich mache, berichteten die Musikerinnen, die bei elektronischer Komposition erstmalig nicht auf die Gnade der Aufführung durch ein Orchester und damit auf ein sehr nachträgliches Hörerlebnis angewiesen sind, sondern direkt im Studio Klänge selbst erzeugen und konservieren können. Daß sich dagegen PCs bislang entgegen allen Absichtserklärungen in herkömmlichen Strukturen nicht entlastend und entmischend für die Frauenarbeitsplätze auswirken, berichteten Referentinnen am Beispiel der bremischen Verwaltung. Probleme und Folgen des Computereinsatzes in der DDR, Japan, Finnland waren Thema.

Die Mitbegründerin der GI

Frauenfachgruppe Asha Kashu, Inderin („Ich repräsentiere hier glücklicher-oder auch unglücklicherweise den Blickpunkt 'dritte Welt'“) stellte bei dem Abschluß-Plenum fest: „Ich fühle mich weit weg von euch, obwohl ihr Frauen seid. Das sind nicht die Probleme, die uns in der 'dritten Welt‘ auf den Nägeln brennen.“ Für Indien wünscht sie sich angepaßte Technologie, in den westeuropäischen Debatten fehlt ihr neben Körper und Geist die Seele: „Wir müssen ein feministisches Wertsystem diskutieren: Gibt es Selbstverwirklichung durch Technik, Emanzipation übers Sattwerden und Geldverdienen hinaus? Was ist das Glück?“ Susanne Paa

Tagungsband: H. Schelhowe (Hrsg.): Frauenwelt, Computerräume, Springer 1989, 284 Seiten, 30 Mark

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