piwik no script img

Drei Zeugen fürs Grobe

■ Chef der Berliner Industriereinigungsfirma DIW vor Gericht / Betriebsrat per falscher Zeugenaussagen gekündigt / Schlechtes Gewissen treibt Personalchef zur Selbstbezichtigung / Gewerkschafter berichten von haarsträubenden Zuständen

Sein Outfit ist makellos, die Schuhe blitzblank, der graue Anzug ohne ein Fältchen: Klaus Hirt, Manager, Leiter der Berliner Industriereinigungsfirma DIW. „Wir arbeiten“, sagt der grauhaarige, braungebrannnte Chef und wirft einen knappen, verständnisheischenden Blick auf die Richterbank, „in einer hochsensiblen Branche. Deshalb mußte ich sofort die Kündigung aussprechen.“

Der Fall, der zur Zeit vor dem Moabiter Amtsgericht verhandelt wird, liegt mehr als zwei Jahre zurück. Damals war E., ein türkischer Arbeiter der DIW, bei seinem nächtlichen Putzeinsatz in einer Zigarettenfabrik von einer hohen Maschine gestürzt. Als er im Streckverband im Krankenhaus lag, schob ihm jemand Zigaretten in den Spind. Der DIW, der Krankengeldzahlungen und eine Überprüfung ihrer Sicherheitsvorkehrungen gegen Arbeitsunfälle durch die Berufsgenossenschaft drohten, kam der angebliche Zigarettendiebstahl ihres Arbeiters nicht ungelegen. Die fristlose Kündigung folgte sofor. t„Der Wallraff hat nicht übertrieben“, flüstert die Gewerkschaftssekretärin, die den Prozeß vom Zuschauerraum aus beobachtet. Sie konnte in der Vergangenheit die Arbeiter von DIW kaum vor Manipulationen ihrer Betriebsleitung schützen. Da die Arbeiter nachts in unterschiedlichen Berliner Industriebetrieben putzen, hat die Gewerkschaft nur selten die Möglichkeit zu Kontrollbesuchen.

Gegenüber ihren Arbeitern sei die DIW „mindestens genauso schlimm wie im Wallraff-Buch beschrieben“, erzählt die Gewerkschaftssekretärin: schlechte Löhne, Nachtarbeit, Schwarz- und Leiharbeitereinsatz, hohe Unfallgefahr. Die meisten der rund 100 Angestellten, die für DIW nachts die Maschinenparks der großen Industriebetriebe säubern, sind ausländische Arbeitnehmer. Die Fluktuation ist hoch. Nur wenige bleiben länger als ein Jahr.

Bei den Gewerkschaftern heißen sie „Berufszeugentrio“. Jetzt sitzen sie auf der Anklagebank: Klaus Hirt, der Chef, Hans-Joachim Arndt, der Vorarbeiter, und Herbert Ruhmann, als Personalsachbearbeiter bis vor kurzem die rechte Hand des Firmenchefs. Seit die drei in der Firma das Sagen hatten, mußten sich die Arbeitsrichter wiederholt mit dem Vorwurf manipulierter Betriebsratswahlen, mit ungesetzmäßigen Kündigungen und anderen Unregelmäßigkeiten befassen. „Die waren Zeugen für alles, die waren zu jeder Zeit überall, und ich hatte oft das Gefühl, daß Kollegen durch Manipulation der Arbeitsplatz weggeschnitten wird“, berichtet Gewerkschaftsrechtssekretär Uhrhahn vor Gericht. Acht Betriebsratsmitglieder hatten innerhalb der letzten fünf Jahre das Handtuch geworfen, eine „übliche“ Fluktuation in seiner Branche, wie Firmenchef Hirt versichert. Doch daß nicht alle freiwillig gingen, ist Gegenstand des jetzigen Gerichtsverfahrens: Recep Uyanik, bis 1987 Betriebsratsvorsitzender bei DIW, war eines der Opfer des Zeugentrios. Um den erhöhten Kündigungsschutz zu umgehen, der dem Betriebsrat zustand, hatten die drei behauptet, Uyanik habe selbst gekündigt. Das Arbeitsgericht glaubte dem Chefetagen-Trio und wies die Klage des Betriebsrates ab.

Daß die drei nun wegen falscher eidesstattlicher Versicherung und uneidlicher Falschaussage vor dem Arbeitsgericht doch noch auf der Anklagebank des Schöffengerichts landeten, ist einem Zufall zu verdanken: Ruhmann, als Personalsachbearbeiter mittlerweile selbst gefeuert, hatte vor einiger Zeit die Reue gepackt. „Aus Glaubensgründen“ wolle er „alles ins Reine bringen“, erzählt er dem Gericht. Sein Geständnis füllt viele Aktenseiten. Ruhmann gesteht Manipulation bei den Betriebsratswahlen und falsche Absprachen der drei „Berufszeugen“ ein. Firmenchef Hirt habe den unbequemen Betriebsrat Uyanik „schon lange loswerden“ wollen, berichtet Ruhmann. Die Kündigung des von der Maschine gestürzten Arbeiters bot den Anlaß. Als Uyanik erbost in der Firma erschien, um als Betriebsrat Widerspruch gegen die Kündigung einzulegen, trat das Trio wieder in Aktion: Während der erregten Diskussion zwischen dem Betriebsratsvorsitzenden Uyanik und Firmenchef Hirt habe der Betriebsrat selbst mündlich gekündigt, bezeugten die drei später vor dem Arbeitsgericht. „Existenzangst“ habe ihn damals zur Falschaussage getrieben, erinnert sich Ruhmann heute: „Mir war klar, daß das ein heißes Ding war. Ich hab‘ viel Muffe gehabt, diese Aussage zu machen.“

Mit fünf Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung soll er bestraft werden, das forderte gestern der Moabiter Staatsanwalt. Die höchste Strafe (zehn Monate) solle Hirt bekommen, denn die anderen beiden seien „sicher nicht Drahtzieher“ der manipulierten Kündigung gewesen. Firmenchef Hirt sei „unglaubwürdig“, seine Behauptung, der Exbetriebsrat habe selbst gekündigt, sei „an den Haaren herbeigezogen“, so der Staatsanwalt. Ruhmanns Verteidiger Nicolas Becker verwies gestern darauf, daß Ruhmann einen „ungeheuer mutigen Schritt unternommen“ habe. Seine Aussage gegen seinen Chef werde ihm „sicher Ärger für seine zukünftige Karriere bringen“. Das Urteil wird für Freitag erwartet.

Myriam Moderow

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen