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Genscher: Blaue Helme für den Bund

■ Nach dem Bundesgrenzschutz soll jezt auch die Bundeswehr bei UNO-Missionen mitmachen / Bundesaußenminister befürwortet entsprechende Grundgesetzänderung und glaubt an Mehrheit / Rede am Rande der UNO-Vollversammlung / Lambsdorff ist begeistert

Berlin (taz) - Nachdem der Bundesgrenzschutz seit knapp zwei Wochen Frieden in Namibia stiftet, soll nun die Bundeswehr ähnliche Aufgaben innerhalb der UNO übernehmen. Das zumindest wünschen Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) und der FDP-Parteivorsitzende Otto Graf Lambsdorff. Sie sprachen sich für eine Änderung des Grundgesetztes aus, die den Einsatz der Streitkräfte bei den UN-Missionen ermöglichte.

Bisher hatte Genscher immer mit Verweis auf die Rechtsgrundlage ein militärisches Engagement bei der UNO abgelehnt. Bei der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York erklärte er jetzt, ein derartiger Schritt würde der gestiegenen Verantwortung der Bundesrepublik in dieser Organisation entsprechen. Für den Einsatz bei UNO -Friedensmissionen wären die Soldaten der Bundeswehr sowohl von ihrer Ausbildung als auch ihrer inneren Einstellung her „in hervorragendster Weise prädestiniert“.

Genschers Schritt bestätigt die früheren Befürchtungen, daß mit dem Einsatz des Bundesgrenzschutzes in Namibia der Weg für eine militärische Beteiligung innerhalb der UNO -Friedenstruppen freigemacht werden sollte. In der Vergangenheit hatte sich die Bundesregierung in dieser Frage betont zurückgehalten. Das sei zwar richtig gewesen, so Genscher, inzwischen aber hätte die Bundesrepublik eine internationale Rolle in den Vereinten Nationen übernommen, „die es wünschenswert erscheinen läßt, an Friedensmissionen der UNO mitzuwirken“. Genscher vertrat auch die Auffassung, daß es für eine entsprechende Vefassungsänderung, die ein Mitwirken an den „peace keeping operations“ möglich mache, eine Mehrheit im Bundestag gebe.

Bislang regelt der Artikel 87 des Grundgesetzes: „Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt.“ Friedensmissionen im Rahmen der UNO oder sogenannte Out-of -area-Einsätze der Bundeswehr (außerhalb des Nato-Bereiches) sind vom Gesetz nicht abgedeckt. Eine entsprechende Änderung, wie sie Genscher jetzt erstmals in aller Deutlichkeit forderte, könnte im Bundestag nur mit einer Zweidrittelmehrheit verabschiedet werden.

Diese Änderung müsse zugleich aber sicherstellen, so Genscher weiter, daß eine Beteiligung an den UNO-Missionen nur der Friedenssicherung diene und „nicht die Eselsbrücke sein kann, die hinführt Fortsetzung auf Seite 2

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zu militärischen Einsätzen“. In diesem Zusammenhang wandte sich der Außenminister auch gegen jeden Versuch, „die Soldaten unserer Bundeswehr für militärische Einsätze außerhalb des Nato-Bereichs vorzusehen“.

Unterstützt wurde Genscher gestern vom Parteivorsitzenden der Freidemokraten Otto Graf Lambsdorff. Auch wenn er eine Verfassungsänderung juristisch als nicht notwendig erachte, erklärte Lambsdorff in einem Interview, „sollten wir das Grundgesetz gemeinsam ändern“, wenn damit „Zweifelsfragen in dieser Richtung“ ausgeräumt würden.

Die von den FDP-Politikern angepeilte Mehrheit dürfte zur Zeit aber schwerlich herzustellen sein. Schon im Rahmen der Auseinandersetzungen um die Entsendung des Bundesgrenzschutzes nach Namibia haben

sich SPD und Grüne vehement gegen eine Bundeswehrbeteilgung an den UNO-Truppen ausgesprochen. Die Sozialdemokraten hatten noch auf ihrem Parteitag in Münster im September 88 per Beschluß „deutsche Blauhelme“ abgelehnt.

Wolfgang Gast

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