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Von Beifahrern und Irrfahrern

■ Der WDR widmet unerfahreren Filmemachern eine „Extra-Spiel„-Reihe Heute um 22.30 Uhr, West 3: Schluß! Aus! Feierabend!

Wer fährt, will ankommen - direkt und ohne Umweg. Fahren im Film hebt dieses Axiom der Fortbewegung auf, wenn es sich nicht gerade um eine Verfolgungsjagd handelt. Im Genre des „Road-Movie“ wird die Zielgerichtetheit der Bewegung zerstört zugunsten einer unsteten und diffusen Situation, von der sich nur mit Gewißheit sagen läßt, daß jemand unterwegs ist. Alles andere ist im Fluß. Fahren als Seelenzustand. Von „Fahrern, Beifahrern und Irrfahrern“ handelt die gleichnamige „Extra-Spiel„-Reihe des Westdeutschen Rundfunks: Filme, die von jungen Filmemachern und Regisseuren stammen, deren Anfängerstatus ebenfalls viel Bewegung und Unsicherheit birgt. Vielleicht liegt es an diesem Gefühl, den Weg zum Film zwar eingeschlagen, aber noch ein ungewisses Ziel vor Augen zu haben, daß sich gleich drei Autoren dem Thema Fahren widmen.

Bewegung kann auch Stillstand bedeuten. In dem Film Schöne Reise (Sendung: 9.Oktober) steigt eine leicht punkige Tramperin zu einem Ehepaar in den Wagen und bricht in eine Welt ein, die nur noch aus Fassade besteht. Lisa und Franz sind ein verbiestertes Ehepaar ohne jede Perspektive. Die Chance, über die Mitfahrerin etwas anderes an sich heranzulassen und dadurch das starre Gefüge der Beziehung zu lockern, nehmen die beiden nicht wahr. Ihr Ziel heißt Italien, die Endstation ist Haß. Der zweite Film über das Fahren nimmt den entgegengesetzten Weg. Zwei Männer brechen auf, um zu einer Hochzeitsfeier zu fahren. Aber Sievers wartet (Sendung: 3.November) vergeblich, denn die beiden Reisenden werden nie ankommen. Während der Wagen durch die deutsche Provinz braust, finden die Insassen - nach anfänglicher Abneigung - Kilometer für Kilometer zueinander. Am Ende der Fahrt werden sie dort ankommen, wo sie losgefahren sind, und doch hat der Wagen sie viel weitergebracht - nach dieser Fahrt ins Bewußtsein.

Die Reihe „Extra-Spiel“ versteht sich als Forum für Debüt -Filmer; die Hälfte der acht Filme wurden an der Film- und Fernsehakademie Berlin oder an der Film- und Fernsehhochschule in München entwickelt und realisiert. Allerdings hat auch die Redaktion von „Extra-Spiel“ erst nach einer längeren Irrfahrt zur jetzt gültigen Form gefunden. Da die 1987 eingeführte Reihe weder bei den Kritikern noch bei den Zuschauern ernstlich wahrgenommen wurde, versuchte man es im vergangenen Jahr mit einem früheren Sendetermin. Das brachte noch weniger Einschaltquoten, so daß die Reihe nun wieder auf den Freitagabend gerutscht ist.

„Extra-Spiel“ beginnt heute mit den tragikomischen Erlebnissen der dicken Inge, die sich von Liebhaber zu Liebhaber durchschlägt, bevor sie zum Schluß erneut bei ihrem Mann, dem kleinen Ganoven und Zuhälter Kutzner, landet. Peter Grützbach - übrigens der einzige Regisseur in der Reihe, der nicht Debütant ist - erzählt den Lebensweg der drallen Mutter mit schrägem Humor. Schon beim Hochzeitsschmaus kreuzen die beiden „Damen“ des Ehegatten auf, und ein Freier stört sofort die Runde beim Zuprosten: die Kundschaft geht vor, die Ehe sofort in die Brüche, um am Ende wieder gekittet zu werden. Die Story ist so irrwitzig, die Männerbekanntschaften so hanebüchen wie komisch, Inge so lakonisch und lieb zugleich, daß man gar nicht glauben mag, was hinter dem Drehbuch steckt: die Höhen und Tiefen im Leben einer tatsächlich existierenden „Inge“ aus Gelsenkirchen.

Christof Boy

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