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Chinas Provinz hat keinen Grund zum Feiern

Zum 40.Jahrestag der VR China erinnert vieles an die feudale Vergangenheit / Trauer und Verbitterung herrschen / Die verordnete Selbstkritik wird maßlos übertrieben / Hinrichtungen als Sportschau / Der Staat kann die Arbeiter nicht mehr bezahlen  ■  Aus Chengdu Eberhard Lichter

Chengdus Dorfsowjets fürchten ihren 40.Nationalfeiertag. Die Brokat- und Seidenstadt ist kaum im Industriedreck zu erkennen. Smog verdeckt den alten Glanz der Hauptstadt der Provinz Sichuan. Noch kürzlich hatte die 1,4-Millionen-Stadt heftiges Aufbegehren erlebt. Aufgestaute Aggressionen machten sich Luft. Zugleich faßten die Menschen Hoffnung, bekamen Mut.

Trauer und Verbitterung sind nun verspürbar. Verhaftungen, Hinrichtungen, Schauprozesse... Plakate mit Hinrichtungsanzeigen bleiben nicht lange hängen. Die obligatorischen Besuche des Spielfilms über die Heldentaten Dengs enden oftmals im Gelächter der Zuschauer. Der politische Unterricht wird verschlafen, die Selbstkritik wird maßlos übertrieben, gerät zur Farce. Die guten Parteionkel, braven Soldaten und die fahnenschwenkenden Kinderlein in den Medien retten den Staat nicht mehr.

Nicht anders in der Metropole Wuhan, der Hauptstadt der Provinz Hubei. Nichts ist hier zu beschönigen. Bettelnde, zerlumpte Kinder, Landstreicher, Schieber und total abgemagerte Krüppel sind der Kontrast zum Bahnhof aus der Gründerzeit im Stadtteil Hankou. Schwarzmarkttickets? Kein Problem. Bis zur letzten Minute werden Tickets für höhere Kader zurückgelegt. Da ist der Schwarzmarkt eine legitime Möglichkeit zur Beschaffung. Militärs steigen aus einer altmodischen Shanghai-Limousine aus, der Fahrer klingelt an der Tür. Die Herren betreten den Luxuswarteraum für die „weiche Klasse“. Schnell wird die Pforte geschlossen. Ihnen gilt, so hört man in den Abendnachrichten, die Liebe des ganzen Vaterlandes. Warum haben sie es dann so eilig, hinter sicheren Türen zu verschwinden? Das Militär ist der Retter. Ihm gebührt Dank. Auch in Wuhan hat es ganze Arbeit geleistet. Den Rest erledigen Polizei, Schnellgerichte und die Einheiten, in die fast alle Chinesen integriert sind. Schnell wird denunziert, verhaftet, bestraft.

Im Stadtteil Hanyang stehen die Bewohner eines Hauses an einem Samstag des Monats regelmäßig auf dem Dach. Abwechslung wird ihnen für ihr tristes Leben geboten, Hinrichtungen als Sportschau. Die „Schwerkriminellen“, die hier ihr Leben verlieren, sind ehemalige kleine Amtsträger, denen Korruption in die Schuhe geschoben wurde, Teilnehmer an den Demonstrationen im Juni, kleine Schieber.

Mit Lastwagen werden sie hergekarrt, einen Strick um den Hals, der von einem Uniformierten festgezogen wird. Gebeugte, verheulte Gesichter. Vor der Brust ein Schild das den Namen trägt, der jetzt rot durchkreuzt ist. Die Hinrichtungen finden hinter einer Betonwand oder in einem Bus im Gefängnis statt. Die Gefangenen müssen sich hinknien, die Schlinge wird um den Kopf zwischen Unterkiefer und Schädeldecke mit dem Knoten nach oben gelegt. Den Knoten hält ein Soldat, ein anderer schießt dem Gefangenen in den Hinterkopf. Es werden Hohlgeschosse verwendet, die riesige Löcher reißen.

Das Urteil ist vollstreckt. Jetzt obliegt es den Verwandten, die Kugeln zu bezahlen. Jetzt wird ein neues Plakat ausgehängt. Die Zeit muß genutzt werden, solange man Zeit hat. Es brodelt nämlich wieder. Die Demokratiebewegung findet Zulauf in der Arbeiterschaft. Grund hierfür sind nicht die Forderungen nach Pressefreiheit, anderen Parteien oder Demokratie, sondern wirtschaftliche Belastungen.

Arbeiter und Bauern erhalten oftmals keine vollen Gegenleistungen in Geld für ihre Arbeit oder ihre Produkte, sondern Schuldscheine. Dazu belastet sie eine Inflation, die zwar nicht astronomisch wie in Lateinamerika sein mag, aber wegen der politischen Gesamtlage und wegen der fehlenden Flexibilität der Wirtschaft große Brisanz hat. Seit langer Zeit verweigern sich die Arbeiter, hängen untätig im Betrieb herum und schädigen auf diese Weise die Volkswirtschaft.

Um der Unruhe Herr zu werden, hat die Obrigkeit des Landes die Zahl der Studenten reduziert. Entscheidend für eine Karriere soll sein, ob der Student linientreu ist. Student Yang fürchtet die Überprüfungen. „Das dauert noch Jahre“, sagt jedoch sein Kommilitone Zhao, „bis dahin haben wir einen neuen Staat.“ Und sie hören weiter die gestörten Sender aus Amerika und Taiwan.

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