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Angriff der Killer-Baumstümpfe

■ Science-fiction privat: Trash-Filmklassiker auf RTL plus / George Lucas‘ „THX 1138“ bei SAT 1

Understatement ist selten bei den privaten Sendern, kommt aber tatsächlich vor. So findet sich in der Programmvorschau für Oktober beiläufig ein Film mit dem nichtssagenden Titel Verhängnisvolle Fracht, dessen Inhalt mit sechs dürftigen und wenig aussagekräftigen Sätzen dem Medienkundschafter nahe gebracht werden soll. Doch der Name der Hauptdarstellerin Mamie van Doren und schließlich der Originaltitel lassen stutzen: Navy versus Night Monsters. In der Tat, dieser Streifen ist einer der Klassiker des B-Pictures, einer beinah vergessenen Kultur, die einstmals in Bahnhofs- und Vorstadtkinos gepflegt und gehätschelt wurde. Trash vom Feinsten; das erkannten auch Medved & Medved, die den Film in ihr Kompendium der schlechtesten Filme aller Zeiten aufnahmen. Diese beiden Allesgucker waren es, die Mamie van Doren, der Hauptdarstellerin in der Nachtmonster-Mär, zu einer Anwartschaft auf den Titel „schlechteste Schauspielerin aller Zeiten“ verhalfen.

Robin Cross beschrieb in seinem Standardwerk zum B-Film den Inhalt kürzer, aber treffender als die Kollegen von RTL plus: “...die Zivilisation in Gestalt Mamie van Dorens wird von menschenfressenden Pflanzen aus der Antarktis bedroht; sie haben jedoch nicht die geringste Chance.“ Ein Fall für Greenpeace also, und ein ziemlich schräges Vergnügen für alle FreundInnen unfreiwilliger Komik. (Verhängnisvolle Fracht, RTL plus, 20.15 Uhr)

Am späten Abend setzt SAT 1 den unglaublichen B-Pictures eine bedrückende Science-fiction-Variante gegenüber. Schon zu Beginn seiner Karriere beschäftigte sich der spätere Krieg der Sterne-Deuter George Lucas mit der Zukunft. Der Film THX 1138 hat allerdings wenig gemein mit der monumentalen, eher märchenhaften Spektakeltrilogie, die aus Lucas einen Hollywood-Tycoon der alten Schule machte. Ende der Sechziger entwarf der hoffnungsvolle Jungregisseur diese eher an Orwell orientierte Vision einer durch Drogen und Roboter kontrollierten Gesellschaft. Die Hauptfiguren des Films heißen THX und LUH, ein Ehepaaar. Als sie eines Tages nicht wie alle andern ihre tägliche Drogenration einnehmen, lassen sie den gewohnten Dämmerzustand hinter sich und erleben ihre Umwelt erstmals ganz bewußt. Sie entdecken unter anderem ihre Sexualität, was zur Folge hat, daß LUH schwanger wird. Ihr Zustand bleibt nicht verborgen, sie wird getötet und THX ins Gefängnis gebracht. Trotz der peniblen Überwachung durch fürsorgliche Roboter gelingt THX die Flucht. Er gerät in ein kafkaeskes System aus unterirdischen Tunneln, Röhren und Gängen. Die Roboterpolizei bleibt ihm auf der Spur, bis der Computer errechnet, daß die Kosten der Verfolgung deren Nutzen übersteigen. THX findet einen Ausgang aus dem Labyrinth und sieht erstmals in seinem Leben die Sonne.

George Lucas‘ Film von 1969 basiert auf einer Studie, die er als Filmstudent an der Universität von Kalifornien anfertigte. Darin nahm er die Flucht durch ein unüberschaubares Stollen- und Röhrensystem vorweg. Dieser Kurzfilm mit dem Titel THX 2238 4 EB veranlaßte Francis Ford Coppola, Lucas‘ Erstlingswerk, in dem er Motive aus der früheren Arbeit wieder aufnimmt, zu produzieren. (THX 1138, SAT 1, 21.30 Uhr)

Harald Keller

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