: Asyl im „Viertel“
■ Wie hilfsbereit sind die alternativen Deutschen
Die libanesische Flüchtlingsfrau Fahima El-Zein lebt mit elf Kindern und Mann seit einem Jahr in Bremen. Sie wohnt im Gegensatz zu den Neu-Ankömmlingen aus der DDR nicht in der Scharnhorst Kasernem sondern im heruntergekommenen ehemaligen grünen Büro Am Dobben 92 - mitten im grün -alternativen „Viertel“. Was für eine Hilfsbereitschaft hat sie erlebt?
„Eine Tunesierin, Fahima. war die erste, die meiner Familie geholfen hat. Sie werde ich nie vergessen. Sie hat uns Geld ausgeliehen, sich sehr um uns gekümmert. Auch ihre tunesische Bekannte aus Walle hat uns besucht. “ - Und die Deutschen? „Nein“, sagt Fahima El-Sein, „die Deutschen haben nicht geholfen.“ Ihr Mann ergänzt: „Nur
das Sozialamt gibt uns was, sonst niemand. Wir leiden sehr.“ Haben keine NachbarInnen Spielzeug vorbeigebracht? Nein. Nur: Gebrauchte Sessel und Sofas haben plötzlich auf dem Hof gestanden. Wortlos abgestellt. Wie Sperrmüll.
Und Männer von den Grünen haben einen Film über sie gedreht. Aber es hat sich nichts geändert. Sie wohnen noch immer mit 13 Personen in zwei Räumen, ohne Waschmaschine. Und die Kinder gehen noch immer mit Plastiktüten zum Unterricht.
Die tunesische Lehrerin Sadia Ghelala-Schlinke hilft der Familie als Übersetzerin. Sie hatte spontan vermittelt, als sie eines Tages Polizei vor dem „Flüchtlingshaus“ gesehen hatte. Vermittelt hat die Tunesierin auch schon bei Konflikten mit deutsch-alternativen Eltern. Denn libanesische Flüchtlingskinder hatten der Kindergruppe Vasmerstraße das Spielzeug weggenommen und nach Hause getragen. Sadia Ghelala-Schlinke: „Das ist eine andere Form des Überlebens. Die Kinder sind glücklich, wenn sie was gefunden haben.“ Die Eltern aus der Kindergruppe hätten den Bürgerkriegs-Kindern schließlich Spielzeug als Geschenk überlassen. Sadia Ghelala: „Hilfe kam nur, wenn Konflikte entstanden.“ An der Schule Lessingstraße hätte das Kollegium jetzt beschlossen, Schulranzen für die libanesischen Kinder zu besorgen: „Aber diese Hilfe ist immer mit Ängsten verbunden.“ Wenn eine Mutter gebrauchte Kinderkleider abzugeben habe, traue sie sich nicht, sie der arabischen Familie spontan zu bringen. Sadia Gehala: „Auch bei einem Schulranzen werde ich gefragt, ob das angebracht ist.“
B.D.
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