Kein Wandel durch Handel

25 Jahre - und kein bißchen Erfolg: UN-Konferenz für Handel und Entwicklung  ■  Von Ulli Kulke

Eine Parole im Kampf für mehr Gerechtigkeit im Weltwährungssystem lautete noch stets „ein Land - eine Stimme“ für die Organisationen, die die Finanzen regieren: Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF), in denen nach wie vor die kapitalkräftigen Länder nach dem Motto herrschen: „Wer anschafft, bestimmt“. Und als leuchtendes Vorbild für jene Kampfesformel steht dann immer die UN mit ihren diversen Unterorganisationen hoch oben auf dem Sockel. Hier sind tatsächlich alle gleich. Inwieweit die Gerechtigkeit den ärmeren Drittweltländern indes auch tatsächlich geholfen hat, ist eine ganz andere Frage. Sie stellte sich nicht nur in der UN-Bildungsorganisation Unesco, aus der sich der einst größte Kapitalgeber, die USA, einfach verabschiedet hat, weil ihm die ganze Richtung nicht paßte. Auch die Unctad, die für Handel und Entwicklung auf Erden zuständig ist, und von der man sich Gerechtigkeit in der Weltwirtschaft versprochen hatte, wenn sie denn nur erst mal demokratisch beschlossen sei, kann kaum auf Erfolge zurückblicken. Am heutigen Donnerstag wird die Unctad, Genf, 25 Jahre alt.

Die 60er Jahre brachten den einstigen Kolonien der europäischen Staaten zwar die formelle Freiheit. Sehr schnell jedoch wurde klar, daß die alten Handelsstrukturen damit noch lange nicht überwunden waren: Wie gehabt billige Rohstoffe vom Süden in den Norden - teure Fertigprodukte vom Norden in den Süden. Die erste Unctad-Konferenz in Genf („Unctad I“) fing noch relativ bescheiden an, wollte das Ganze durch Handelserleichterungen regeln. Das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (Gatt), dem diesbezügliche verbindliche Regelungen vorbehalten sind, beschloß daraufhin auch tatsächlich Erleichterungen bei den Zollschranken für Fertigwarenexporte aus den Entwicklungsländern angeht.

Doch Zollerleichterungen vermochten beileibe nicht, Produktivität oder Konkurrenzfähigkeit der Drittwelt -Erzeugnisse zu erhöhen. Unctad III gab 1972 in Santiago de Chile den Anstoß zu dem Begriff, der durch die entwicklungspolitische Öffentlichkeit der 70er Jahre wie eine Zauberformel geisterte, weil er einen umfassenden Ansatz versprach: „Neue Weltwirtschaftsordnung“ (NWWO). Zentrales Anliegen war es dabei, die Preise für die Rohstoffe, auf ein gerechtes Maß anzuheben. Zumindest sollten sie erst mal vor dem weiteren Verfall bewahrt werden. Die höheren Einnahmen sollten dann eine finanzielle Grundlage für die Entwicklung einer eigenen Industrie bilden: Die Entwicklungsphilosophie: Wandel durch Handel.

Zentrales Instrument, so zeichnete es sich bei den folgenden Unctad-Konferenzen in Nairobi und Manila ab, sollte das „Integrierte Rohstoffprogramm“ sein. Der Zeitgeist sprach noch Mitte der 70er Jahre für die Rohstoffausfuhr-Staaten. Die Ölexportierenden Länder, die in der Opec zusammengeschlossen waren, zeigten, wo es langging

-scheinbar. Das in sich einige Kartell versagte kurzzeitig die Lieferung, und katapultierte in der Folge die Ölpreise gewaltig nach oben.

Im Zuge dieser Ölpreissteigerung stiegen denn auch allerlei andere Rohstoffpreise vorübergehend spürbar an. Aber gerade diese Entwicklung veranlaßte die Unctad-Strategen zu einem folgenschweren Trugschluß. Man sprach nun nämlich weniger davon, den tendenziellen Fall der Rohstoffpreise aufzuhalten, sondern sah sich eher vor einem Auf und Ab. Diese Schwankungen sollten vor allem mithilfe eines „Bufferstocks“ ausgeglichen werden: Ein Geldtopf, aus dem zusätzliche Rohstoffeinkäufe getätigt werden, wenn die Weltmarktpreise fielen. Steigen die Preise wieder, werden die angelegten Lager geräumt, und der Geldtopf füllt sich wieder. So schön war das alles ausgedacht. Entsprechend wenig Schwierigkeiten hatten denn auch die Geldgeber für diesen Fonds, die Industrieländer. 400 Millionen Dollar sollten die Preise der 18 wichtigsten Rohstoffe der Welt stützen.

Es kam, wie es kommen mußte. Die Marktpreise fielen vor allem in den 80er Jahren ins Bodenlose, die Stützungs -Geldtöpfe leerten sich, die einzelnen Rohstoffabkommen platzten, zuletzt das Zinnabkommen. Der Grund: Die rohstofffressende Tonnenideologie in den Industrieländern weicht mehr und mehr der Produktion von immaterieller Software und Mikrochips, „Substitutionsprozesse“ ersetzten nicht nur Kautschuk durch Synthetisches, und nicht zuletzt machte sich nun andererseits die Tonnenideologie im Exportverhalten der Lieferländer breit - durch vermeintlich gesicherte Preise.

Die Industrieländer, die sich weigerten, in die Töpfe Geld nachzuschießen, konnten nicht ganz zu unrecht darauf verweisen, daß sich Rohstoffonds nicht auf die Dauer gegen die Marktpreisentwicklung stemmen können, und seien sie auch noch so viel mit Kapital ausgestattet. Die Drittweltstaaten, die bei der UN in der „Gruppe der 77“ zusammengeschlossen sind, haben es bisher noch nicht einmal geschafft, bei der Unctad ein eigenes Büro einzurichten. Es ist dies ein Zeichen dafür, daß sie weit entfernt sind, vom einzigen Mittel, das Erfolg verspräche: einseitige, Maßnahmen in Einigkeit wie konzertierte Exportzurückhaltung nach dem Vorbild der Opec in ihren besten Jahren. Oder vielleicht ein wenig mehr Abkehr von der Ideologie: Wandel durch Handel?