piwik no script img

Immer vorne weg?

Der Fußballspieler Hans Richter verließ die DDR  ■  D O K U M E N T A T I O N

Am Mittwoch stand unter dem Titel „Ein Hans im 'Glück‘? FCK-Fußballer Richter im menschlichen Abseits“ in der Zeitung 'Junge Welt‘ (Organ des Zentralrats der FDJ) ein Interview mit dem Karl-Marx-Städter Trainer Hans Meyer.

Hans Richter, 30, spielte 14mal in der DDR-Auswahl, und war als wuchtiger Stürmer bekannt. Seine Tore im Europapokal, zu seiner Glanzzeit war er bei Lok Leipzig, verschafften ihm einen Ruf, wie ihn hierzulande Dieter Hoeneß hatte.

Normalerweise findet die „Republikflucht“ bekannter Sportler in den Medien der DDR nicht statt, derzeit jedoch scheint eher Offensive als Totschweigen angesagt; der Artikel wird im folgenden ungekürzt wiedergegeben:

Der 'Freien Presse‘ Karl-Marx-Stadt war zu entnehmen, daß der FCK-Fußball-Oberliga-Spieler Hans Richter seine Mannschaft im Stich ließ und in die BRD ausgereist ist. Mit Trainer Hans Meyer sprach unser Redaktionsmitglied Klaus Feuerherm:

Wie haben Sie auf den Verrat von Hans Richter reagiert?

Er hat mich als Mensch und Sportler maßlos enttäuscht. Seine langjährige Erfahrung hätten wir benötigt, um eine insgesamt junge Mannschaft reifen zu lassen. Und auch er selbst, als 30jähriger, hätte in seinem Club bestimmt eine Perspektive gehabt.

Es war aber nicht zu übersehen, daß Hans Richter von Ihnen in den letzten Spielen - so auch im Europacup - nicht mehr aufgestellt wurde. Laut 'Berliner Zeitung‘ haben Sie jenen FCK-Anhängern, die in den letzten Spielen seine Einwechslung verlangten, entgegengehalten: „Fragt doch ihn, warum ein gerade erst 30 gewordener geistig aufgehört hat, Fußball zu spielen, und warum er nicht fit ist!“ Wie sehen Sie das heute?

Genauso wie vor einer Woche. So ist das leider manchmal bei labilen Charakteren, wozu ich Hans Richter nun rechnen muß. Mit der Klappe immer vorne weg, aber wenn's hart wird, wird der Kopf eingezogen. Doch auch wenn das Leistungsprinzip, das in der DDR mehr und mehr Durchsetzung findet, noch manch anderem nicht paßt, von unserer Forderung nach Einheit von Wort und Tat können wir im Interesse aller keine Abstriche machen.

Was sagen seine ehemaligen Mannschaftskameraden dazu?

Viele teilen meine Enttäuschung. Stellvertretend für alle dürfte ein Zitat von Mannschaftskapitän Detlef Müller stehen, der sagte, daß Hans Richter uns mit seiner zuletzt gezeigten mangelnden Einsatzbereitschaft genaugenommen schon vorher im Stich gelasen hat.

Richter hat beim FCK einen Zwei-Jahres-Vertrag. Besteht der Klub auf dessen Einhaltung?

Ja. Das heißt, daß in diesem Falle die von der FIFA erlassenen Regeln für einen „Nichtamateur“ in Kraft treten. Wer ein bißchen im Leistungssport Bescheid weiß, kann sich vorstellen, was eine Sperre von zwei Jahren für einen Spieler in diesem Alter bedeutet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen