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Gletscherskilauf: Chemie pur

■ Im Kärtner Ferienparadies wird das Eis mit Kunstdünger verseucht

Gletscherskilauf: Chemie pur

Im Kärntner Ferienparadies wird das Eis mit Kunstdünger verseucht.

Von

GERALD LEHNER

er Spion macht sich wieder einmal auf den Weg. Über den Ostgrat des 3.122 Meter hohen Schareck: leichte Kletterei im Gipfelbereich von der Salzburger Seite des Bergmassivs, auf dessen Kämmen und Gletschern die Landesgrenze zu Kärnten verläuft.

Und prompt wird der Spion fündig: Im Feldstecher beobachtet er, wie eine Pistenraupe auf dem Gletscher herumkurvt. Die Raupenketten knirschen. Der Firn ist in der Hitze des Hochgebirgssommers fast weggeschmolzen. Das blanke Eis kommt zum Vorschein. Und aus den Säcken, die auf der Pistenraupe liegen, rieselt er - der Kunstdünger. Der soll den spärlichen Firn konservieren, damit die Sommerskifahrer nicht mit ihren Brettern auf dem blanken Eis herumkratzen müssen.

Seit mehr als einem Jahr sind diese Aktionen der Liftgesellschaft illegal. Die Umweltexperten der Kärnter Landesregierung haben nämlich Alarm geschlagen und das Treiben verboten: Das Wurtenkees ist verseucht („Kees“ ist ein uralter Ausdruck für Gletscher in den Hohen Tauern in Österreich). Gegenüber den natürlichen Konzentrationen im Gletscherschnee erhöhten sich durch die Kunstdüngerberieselung die Werte von Stickstoff (bis zu 50.000fach), Phosphor (bis zu 500fach), Kalzium (bis zu 20fach) und Kalium (bis zu 60fach).

Auch in den Gletscherseen am Fuße des Wurtenkees wurden die Wissenschaftler fündig: Darmkeime und Kolibakterien, die aus dem Restaurant der Gletscherbahn-Mittelstation stammen. Als Konsequenz wurde eine Kläranlage vorgeschrieben. Detail am Rande: Unterhalb der Gletscherseen steht die altehrwürdige Duisburger Hütte des Alpenvereins, die ihr Trinkwasser aus dieser Gegend bezieht. Seit fast 100 Jahren.

ber was tut eine Gletscherbahn-Gesellschaft nicht alles, um ein paar Ski-Nationalmannschaften für das Sommertraining anzulocken? Ein paarmal kamen die Japaner. Auch mit Kunstdünger im Gepäck.

Glaubt man den Umweltschützern beim österreichischen Alpenverein, dann ist dieser Skizirkus ohnehin ein Flop: Im Sommer sei nur eine Handvoll Leute auf dem Wurtenkees unterwegs - alpinistische Greenhorns, von denen viele in der Strahlung des Hochgebirges den bleichen Bauch in die Sonne halten und nachts fast sterben vor Schmerz.

Im Winter ist dieses Gebiet für Wintersportler ohnehin keine Freude, weil die Zufahrtsstraße aus Kärnten - von Flattach aus - nicht wintersicher ist: Lawinengefahr.

Noch vor wenigen Jahren tummelten sich in dieser Gegend ausschließlich erfahrene Bergsteiger und Ski-Alpinisten, die im Schweiße ihres Angesichts das Schareck bestiegen - Sommer wie Winter. Lohn der Mühen war der herrliche Blick zu Österreichs höchsten Gipfeln im Großglocknergebiet und hinüber zur höchstgelegenen Wetterwarte Europas auf dem mehr als 3.000 Meter hohen Sonnblick im Rauriser Tal.

Lange träumten die Hoteliers im Gasteiner Tal auf der Salzburger Seite vom „Tauerngold“ auf dem Schareck. Ihr pompöses Stollenbahn-Projekt scheiterte erfolgreich - aus Geldmangel. Dafür stießen die Lift-Unternehmer bei den Nachbarn in Kärnten auf Interesse. Das alte Argument, das jahrelang gefundenes Fressen für Betonierer war, zog: Im angrenzenden Mölltal herrscht große Arbeitslosigkeit. Und die Kärntner Landesregierung gab grünes Licht - gegen heftige Proteste des Alpenvereins, der Naturfreunde und der österreichischen Grün-Gruppen. Spekulationen, wonach kräftig geschmiert worden sei, konnten bis heute nicht bewiesen werden.

Moderne Zeiten: Neben seiner ökologischen Jungfräulichkeit verlor das Wurtenkees nun auch seinen uralten Namen, zumindest in den Werbeprospekten: Die geschäftstüchtigen Liftler haben das Gebiet in „Mölltaler Gletscher“ umbenannt. Das zieht besser.

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