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Nagel auf der Schnellbahnbremse

■ Bauverwaltung: Wegen unvorhersehbarer Kostensteigerung dauert es länger mit dem S- und U-Bahn-Ausbau - und alles wird teuerer / Entgegen dem Koalitionswillen wird zudem der 200 Millionen Mark teure U-Bahn-Weiterbau ins Märkische Viertel geplant

Berlins Baulöwen und die Bauverwaltung fahren beim Bahnlinienausbau als Bremser mit: Fast schon Makulatur sind inzwischen die rot-grünen Koalitionsvereinbarungen zur S und U-Bahn Weiterentwicklung. Die Kosten steigen, und die Abfahrtzeiten verschieben sich immer weiter in Richtung Jahr 2000. Dies zeigt ein Finanzierungskonzept aus dem Hause von Bausenator Wagner.

Danach kann nach dem parallelen Baubeginn im nächsten Frühjahr der Nordring erst Mitte 1995 und die Strecke nach Lichterfelde Süd erst Ende 1995 in Betrieb gehen. Laut dem Koalitionspapier sollte auf der Radialstrecke nach Lichterfelde Süd die Züge schon Mitte 1993 wieder fahren, auf dem Nordring sowie die Trasse nach Spandau 1993/94. Bei der sogenannten Westbahn Richtung Spandau sieht die Bauverwaltung in ihrem Ablaufplan erst für Anfang 1994 den Beginn der Ausbauarbeiten vor. Lediglich für die Verbindung Westkreuz - Pichelsberg nennt man den frühestmöglichen Eröffnungstermin: Mitte 1997.

Fest eingeplant ist in dem Ablaufschema die kontinuierliche Verlängerung der U-Bahn-Linie 8 ins Märkische Viertel über den bisher bestimmten Endpunkt am Wilhelmsruher Damm hinaus. Als mögliches Datum der Inbetriebnahme wird die zweite Hälfte des Jahres 1998 angegeben. Voranschlagte Kosten: 200 Millionen Mark. Die bereits seit einiger Zeit angestellten Überlegungen, die U-Bahn ohne die bisher vorgesehene Unterbrechung schneller ins Märkische Viertel zu bauen, wiederspreche freilich ebenfalls den Koalitionsvereinbarungen.

Es werde angestrebt, vordringlich alle Maßnahmen zu realisieren, die für den Dauerfahrbetrieb im vorhandenen S -Bahn-Netz erforderlich sind, heißt es dort. Wegen der für notwendig gehaltenen Fortführung des U-Bahn-Baus verabredeten die rot-grünen Verhandlungspartner, daß im Anschluß an den U-Bahn-Rohbau in Reinickendorf die Mittel für den Weiterbau der Linie 9 nach Lankwitz so aufgestockt werden, daß diese Verlängerungsstrecke noch 1996 in Betrieb gehen kann. Nach dem Konzept der Bauverwaltung wird vor dem nächsten Jahrtausend keine U-Bahn in Richtung Lankwitz rollen.

Daß die terminlichen Vorstellungen zur Inbetriebnahme weiterer Schnellbahnstrecken teilweise erheblich vom politischen Willen der Koalitionspartner abweichen, räumte Baustaatssekretär Görler in einem Gespräch mit der taz ohne weiteres ein. Er machte jedoch auch Sachzwänge geltend. So seien SPD und AL im März bei ihren Planungsvorgaben noch davon ausgegangen, daß es gelinge, den auf jährlich 340 Millionen Mark erhöhten Etat für den Ausbau des Schienennahverkehrs um zusätzliche 40 Millionen Mark aus anderen Quellen aufzustocken. Nun bleibe es aber doch bei den 340 Millionen.

Görler zufolge werden aber in den nächsten zehn Jahren allein die im jetzt betriebenen 71-Kilometer-Netz der S-Bahn erforderlichen Ersatzinvestitionen die exorbitante Summe von 750 Millionen Mark verschlingen. Wesentlich ins Gewicht falle auch, daß die für die Flottmachung des Südrings vom alten Senat veranschlagten Kosten von 387 auf 585 Mio. Mark gestiegen seien. Erst in den letzten zwei Jahren hat sich herausgestellt, daß für den Neubau von maroden Brücken und Bahnsteigen 85 Mio. Mark mehr ausgegeben werden müßten.

Demgegenüber äußerte der verkehrspolitische Sprecher der AL, Michael Cramer, die Vermutung, daß im wesentlichen die Baulobby beim Südring die Kosten in die Höhe getrieben hat. Die Tatsache, daß die Bauindustrie nach Bekanntgabe der Koalitionsvereinbarungen die Preise für den S-Bahn-Ausbau noch einmal um 20 Prozent in die Höhe getrieben habe, sei schlichtweg skandalös. Der Al-Abgeordnete forderte die Bauverwaltung auf, die gesamte Finanz- und Bauplanung für den S-Bahnring, die Strecken nach Spandau und Lichterfelde Süd sowie die U-Bahn-Linie 9 zu überdenken. So brauche man nur auf „architektonische Selbstdarstellungsorgien“ bei den Bahnhöfen und „Spielereien und Luxus“ bei der Sicherungstechnik zu verzichten und der Südring und weitere Strecken könnten wie geplant schon ab 1994 befahren werden. Weiterer Sparvorschlag Cramers: mit westdeutschen und DDR -Betrieben für Dumping-Preise sorgen.

Thomas Knauf

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