: Hiroshima-Bombe tötet immer noch
■ Japanische Wissenschaftler legen neue Studie über Langzeitfolgen des Atombombenabwurfs von 1945 vor / Über 20.000 Menschen starben an Leukämie und an bösartigen Tumoren
Hiroshima (dpa/taz) - Mehr als die Hälfte von 42.000 untersuchten Überlebenden des Atombombenabwurfes auf Hiroshima im Jahre 1945 sind inzwischen als Folge der radioaktiven Strahlung an Leukämie gestorben. Weitere acht Prozent der Untersuchten starben in der Folgezeit an bösartigen Tumoren. Diese neuen, aus dem Untersuchungszeitraum von 1950 bis 1985 stammenden Zahlen, legten japanische Wissenschaftler gestern auf dem 9. Weltkongreß der Ärzte für die Verhütung eines Atomkrieges (IPPNW) vor. Die Untersuchten waren zum Zeitpunkt des Atombombenabwurfes über Hiroshima bis zu maximal zwei Kilometer vom Zentrum der Abwurfstelle entfernt.
Die japanischen Wissenschaftler fanden außerdem einen signifikaten Zusammenhang zwischem dem Anwachsen von Krebserkrankungen bei Kindern, die zum Zeitpunkt des Atombombenabwurfes zur Welt gekommen sind oder deren Mütter zu dieser Zeit schwanger waren. Bei den Müttern hingegen sei kein Zusammenhang zwischen vermehrten Auftreten von Krebs und radioaktiver Strahlung festgestellt worden. Unterschiedlich beurteilten die Wissenschaftler die Beziehungen zwischen radioaktiver Verseuchung und möglichen genetischen Schäden. Während ein Teil der Experten bisher keine Mißbildungen, Totgeburten, Chromosomenabnormalitäten oder Mutationen bei den Strahlenopfern festgestellt hat, verwiesen andere Ärzte auf Untersuchungen, die eindeutig Chromosomenabnormalitäten etwa in den Knochenmarkzellen und eine Häufung von Mißbildungen bei Kindern an den Tag gebracht haben.
Die Ergebnisse der japanischen Langzeituntersuchungen waren in der Vergangenheit vielfach als beschönigend kritisiert worden, weil die für die Studie herangezogene angeblich unbelastete Vergleichsgruppe sich 1945 ebenfalls in der Nähe der Atombombenexplosion aufgehalten hatte. Die Vergleichspersonen lebten damals in einem Radius von nicht mehr als zehn Kilometern um den Aufschlagpunkt. Mitglieder der 100köpfigen bundesdeutschen Delegation äußerten in Hiroshima den Verdacht, die Japaner wollten die Langzeitfolgen radioaktiver Strahlung herunterspielen und das Kapitel Hiroshima frühzeitig abhaken.
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