: „Die Kleinen hängt man...“
■ Jungpolizisten in der GdP wollen mehr Power im Kampf gegen Umweltkriminelle / Vorwurf an die Polizeispitze: „Alibiismus“ / Auf Fachtagung Skepsis gegenüber basisdemokratischen AL-Rezepten / Kritik an fehlender Kooperation der Umweltverwaltung
Der in der „Jungen Gruppe“ der Gewerkschaft der Polizei (GdP) zusammengeschlossene Beamtennachwuchs will jetzt erheblich mehr Power im Kampf gegen alle kriminellen Umweltverschmutzer. Allgemeiner Eindruck auf der gestrigen Umweltfachtagung in der Pichelsdorfer IG-Metall -Bildungsstätte: „Die Kleinen hängt man, und die Großen läßt man laufen.“
Der GdP-Landesjugendvorsitzende Michael Effertz in einer Erklärung: „Während die Wichtigkeit des Straßenverkehrs bei einigen Sicherheitspolitikern anscheinend nahezu Verfassungsrang hat, wird der Bekämpfung der extrem gemeinschaftsschädlichen kriminellen Umweltverschmutzung keine ausreichende Wertigkeit eingeräumt.“ Effertz bezeichnete es als beispiellos, daß es in Berlin immer noch kein eigenes Kriminalreferat „Umweltkriminalität“ mit ausreichendem Personal und entsprechender Sachausstattung gebe. Es reiner „Alibiismus“, daß die Beamten des gehobenen (!) Dienstes von Schutz- und Kriminalpolizei im Rahmen ihrer dreijährigen Ausbildung zum Kommissar lediglich ein Fünf -Tages-Seminar im Umweltrecht absolvieren müßten.
Beklagenswerte Defizite beim polizeilichen Umweltschutz sah auch Effertz‘ Stellvertreter Klenke. Bescheiden mahnte er eine „maßvolle Ausstattung“ derörtlichen Diensstellen für erste Maßnahmen zur Erkennung von Umweltgefahren und zum Sammeln von Beweisen gegen Umweltkriminelle an. Dafür könne auch ein mobiles Umweltschutzkommando kein Ersatz sein.
Gleichermaßen Federn lassen mußten auf der Tagung die als Referenten geladenen Politiker von Regierungskoalition und CDU-Opposition. Umweltpolitik sei nur dann wirksam, wenn gegen die Industrie genauso wie gegen den „kleinen Mann auf der Straße“ vorgegangen werde, so ein junger Polizist an die Adresse des CDU-Abgeordneten und einstigen Umweltsenators Volker Hassemer. Der hatte vorher weitschweifig „in die Millionen und Milliarden gehende Schrittmacherleistungen“ der chemischen Industrie bei der Abfall- und Abwasserentsorgung gelobt und unverbindlich von den Bürgern allgemein umweltfreundliches Verhalten angemahnt. Die AL -Abgeordnete Lena Schraut stieß insbesondere mit ihrem Vorschlag, in den Bezirken dezentrale Umweltbeiräte aus Betroffenen und Vertretern von Umweltschutzorganisationen zu bilden, auf Skepsis: „Wenn man Weltunternehmen wie Siemens basisdemokratisch an die Hose gehen will, werden die nur lachen“, kritisierte ein Gewerkschafter unter beifälligem Kopfnicken seiner Kollegen. Als problematisch empfunden wurde von einzelnen auch die beschlossene Verlagerung von Umweltkontrollkompetenzen auf die bezirklichen Umweltämter.
Hart ins Gericht mit der Senatsumweltverwaltung ging auf der Tagung der Chef der Berliner Umwelt-Kripo, Gewerbeoberrat Hans-Jörg Richter. Er nannte mehrere Beispiele einer verzögerten Auskunftserteiluzng in Umweltstrafverfahren. Richter: „In einem Fall einer groben Umweltverunreinigung hat die Staatsanwaltschaft ein dreiviertel Jahr benötigt, um die ersten Akten zu bekommen, und auch das erst nach intensivem Schriftwechsel.“
Richter fordert unter Verweis auf die Schwierigkeiten bei der Verfolgung des internationalen „Mülltourismus“ eine gesetzliche Anzeigepflicht der Überwachungsbehörden über Umweltstraftaten an die Polizei: „Der Abfallproduzent muß wissen, er wird in jedem Bundesland gleichermaßen bedient, sprich repressiv“, erläuterte er.
thok
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