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Den Bach runter

 ■ S T A N D B I L D

(Mission Eureka, Mo., 9.10., 19.30 Uhr, ZDF) Eigentlich hätte man schon nach der Titelmusik ausschalten können. Wer eine Toccata von Johann Sebastian Bach entweiht, indem er das Musikstück solange durch den Synthesizer jagt, bis es jedem Disco-Dutzendsong täuschend ähnlich ist, dem ist auch bei der Umsetzung der - nach Eurocops zweiten - EG -Produktion allenfalls Durchschnitt zuzutrauen. Dementsprechend war es fast zwingend, daß Mission Eureka zwar mit einem Feuerwerk begann, das allerdings auf die digitalen Mätzchen des Vorspanns beschränkt blieb, dann aber wie eine ermattete, ausgebrannte Trägerrakete verpuffte. In der Krimireihe Eurocops konnten wir schon begutachten, wie holprig Dialoge sein können, wenn sieben europäische Fernsehstationen daran arbeiten, das babylonische Sprachgewirr in eine synchronisierbare Norm zu pressen. Das bringt peinigende Sätze wie diesen hervor: „Ihr könnt mich sehen, aber denkt daran, daß ich euch nicht sehen kann“, sagt der Astronaut in seiner Kapsel zur Familie via Bildtelefon, das einzige übrigens, was an der Raumfähre tatsächlich zu funktionieren scheint. Ansonsten, Pannen über Pannen. Ein Satellit droht aus der Umlaufbahn zu stürzen, das rettende Space-Shuttle irrt ziellos in die Unendlichkeit und gegen Ende des Pilotfilms deutet nichts darauf hin, daß die Europäer überhaupt irgendein Raumschiff ohne Schwierigkeiten ins All schießen könnten.

Das technische Debakel der Mission, festgehalten in annehmbaren Trickaufnahmen, und das menschelnde Trübsal ältere Projektleiter mit älteren Frauen und noch älteren Affären mögen vielleicht den ein oder anderen Dallas -Dauergucker für fünf Minuten fasziniert haben. Aber spätestens dann, wenn der Zuschauer durchschaut hat, wie offensichtlich dieser Euro-Schauspielmannschaft, die penetrant um Liebenswürdigkeit bemüht ist, ein echter Fiesling a la J.R. fehlt, wird er sich mit Grausen abwenden. Daß es in der Riege graumelierter Einheitsköpfe einen karrieregeilen Franzosen gibt, der richtig böse die Ellenbogen einsetzt, wirkt in diesem Länderwettbewerb der schmalzigsten Schmeichler fast wie ein Wunder.

Wem Hören und Sehen nicht schon nach dem Liebesgeflüster in römischen Betten und geistigen Tiefflügen in der Bodenstation in München vergangen ist, wird trotzdem nicht abschalten dürfen. „All die Arbeitsplätze“, die daran hängen, gleich mehrfach wurden wir darüber instruiert, daß die Sorge um ihren Erhalt noch vor Macht und Erfolg, Liebe und Eifersucht kommt. Selbstverständlich muß auch uns an diesem Euro-Engagement für die darniederliegende Filmindustrie gelegen sein. Denn sonst wären Regisseure wie Klaus Emmerich, Fernsehautoren wie Ian Curtis oder Schauspieler wie Peter Bongartz arbeitslos, und niemand könnte für die Verfremdung von Bachs Orgelwerk Tantiemen kassieren. Das alles wollen wir doch nicht. Oder? Deshalb, einschalten und das Denken abschalten bei der nächsten Mission Eureka. Der Countdown läuft schon.

Christof Boy

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