: Galileo darf ins All, kann aber nicht
Richter vom Bundesbezirksgericht Washington hat nichts gegen Plutonium im All / Bedenken von Umweltschützern abgebügelt Kommt es zum Unfall, ist Florida dran / Doch Galileo hat amerikanische Krankheit: „Technische Probleme“ / Start frühestens Montag ■ Aus Washington Silvia Sanides
Die mit 20 Kilo Plutonium ausgerüstete Jupitersonde „Galileo“ könnte heute termingerecht auf der Raumfähre Atlantis ihre Reise ins All antreten. Dies entschied Richter Oliver Gasch vom Bundesbezirksgericht in Washington in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch. Könnte. Doch Galileo muß auf dem Boden, vielmehr fest auf der Startrampe auf Kap Canaveral verankert bleiben, weil sich technische Probleme beim Countdown ergeben haben. Ein Motor der Atlantis, so die Nasa gestern, sei defekt. Die Vertreter von drei Umweltorganisationen, die den Start der Galileo gerichtlich verhindern wollen, äußerten sich enttäuscht über die Gerichtsentscheidung. „Wir halten die Angelegenheit jedoch für so wichtig“, erklärte Lanny Sinkin vom Christic Institute, „daß wir Berufung einlegen werden. Wir hoffen, die technischen Probleme ziehen sich möglichst lange hin. Das gibt uns mehr Spielraum, den Start zu verhindern.“
Die Gegner des Galileo-Starts hatten vor Gericht erklärt, daß die Plutoniumgeneratoren, mit denen die Galileo ausgerüstet ist, bei einem seit dem Challenger-Unglück viel wahrscheinlicheren Unfall zu katastrophalen Strahlenschäden führen könnten. Das feinverteilte Plutonium der Galileo könnte zu 950.000 Lungenkrebsopfern führen. Nasa-Sprecher räumten ein, daß eine achtprozentige Wahrscheinlichkeit bestehe, daß Plutonium beim Start frei wird.
Gegen einen termingerechten Start hatten sich auch die Grünen im deutschen Bundestag in einem Schreiben an Richter Gasch ausgesprochen. Die Grünen hatten nicht nur vor einer möglichen Verstrahlung der Erde durch das Plutonium gewarnt, sondern geltend gemacht, daß auch andere Planeten, in diesem Fall der Jupiter, nicht radioaktiv verseucht werden sollten.
Alternativen zu den Plutoniumbatterien könnten leicht entwickelt werden, so die Sprecher der Umweltorganisationen. Der Start mit einer unbemannten Rakete aus einem unbesiedelten Startgebiet, dies hatten auch von der Nasa beauftragte Experten zugegeben, sei sicherer als der Raumfährentransport von Kap Canaveral aus. In der Nähe des Startgebiets von Kap Canaveral leben über zwei Millionen Menschen. Und bis zu 200.000 weitere Schaulustige lockt ein Raumfährenstart zusätzlich in das Gebiet. Galileo, so andere Experten, ist nicht unbedingt auf Plutoniumgeneratoren angewiesen. Die Nasa sei durchaus fähig, auf andere Energiequellen auszuweichen. Die Nasa jedoch setzt schon deshalb weiter auf Plutonium, weil sie die Galileo vor Ende November ins All schicken will. Danach nämlich werden die planetarischen Konstellationen für einen Start ungünstig. Die nächste Startmöglichkeit würde sich erst wieder in 18 Monaten ergeben. Gegner des Galileo-Starts werden also mit allen Mitteln versuchen, den Start bis Ende November zu verhindern. Neben weiteren gerichtlichen Schritten, planen sie eine Besetzung der Startrampe und des Start gebiets.
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