: Männliche Kraft ist unumgänglich
■ Neue Studie über „Diskriminierung im Erwerbsleben“ beschäftigt sich mit den rechtlichen Aspekten der Ungleichbehandlung von Frauen und Männern in der Bundesrepublik
„Sehr verehrte Frau...,
interessant, interessant - eine Dame bewirbt sich um einen Ausbildungsplatz zur Kfz-Mechanikerin. Wären wir ein Ein oder Zweimannbetrieb - warum nicht. Oder in einem noch größeren Unternehmen könnte ich mir eine Dame in einer Herrenmannschaft schon vorstellen. In unserer Größenordnung von zwanzig Mitarbeitern halte ich eine Beschäftigung als weiblichen Auszubildenden nicht für sinnvoll. Sowohl als auch stehen Probleme an. Ich bitte Sie daher um Verständnis, daß ich Ihnen heute eine Absage erteile.“
Kein Job
aber Schmerzensgeld
Die Bewerberin hatte kein Verständnis, sondern verklagte die Kfz-Werkstatt. Das Arbeitsgericht sollte die Firma entweder dazu verurteilen, mit der Klägerin einen Lehrvertrag abzuschließen oder ihr ersatzweise Schadenersatz zu zahlen. Das Gericht lehnte zwar den Antrag auf ein Ausbildungsverhältnis ab, sprach der abgewiesenen Bewerberin aber ein Schmerzensgeld in Höhe von drei Monaten Ausbildungsvergütung zu. Denn es ging davon aus, daß die Klägerin bei ihrer Bewerbung wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden war. Damit lag ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgesetz (BGB) von 1980 vor, das jegliche Diskriminierung wegen des Geschlechts durch den Arbeitgeber verbietet.
Dieses und andere Beispiele diskriminierender Einstellungspraxis sind in der jetzt erschienenen Studie Diskriminierung im Erwerbsleben zu finden. AutorInnen: Die Rechtswissenschaftlerin und heutige Berliner Bundessenatorin Heide Pfarr und der Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht Klaus Bertelsmann.
Die teure (78 Mark) und materialreiche, knapp 600seitige Untersuchung will die aktuellen Ansätze und Formen der Diskriminierung im Erwerbsleben aufzeigen, beschäftigt sich mit geltendem bundesdeutschen und europäischen Recht, würdigt kritisch die darauf basierende Rechtsprechung, indem sie auf deren Lücken und Verkürzungen hinweist. Darüber hinaus wird die Wirksamkeit rechtlicher Regelungen überprüft, die Diskriminierungen verhindern sollen, und Veränderungsvorschläge gemacht.
Die Studie beschränkt sich dabei auf den rechtlichen Aspekt von Diskriminierung bei abhängiger Erwerbsarbeit. Sie beginnt mit einem kurzen historischen Abriß darüber, wie sich die Normen zur Gleichbehandlung seit 1918 entwickelt haben, und befaßt sich ausführlich mit der Rechtsprechung bis 1988. Besondere Kapitel setzen sich mit Fördermaßnahmen für Frauen und mit der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz auseinander. Der Untersuchung liegt die Auswertung der vorhandenen Literatur und veröffentlichte Rechtsprechung (Stand Sommer 1988) zugrunde. Außerdem wurden alle Arbeitsgerichte in der BRD in einer Umfrage um Urteile und Entscheidungen zum Themenkomplex gebeten. Durch Kontakte mit Kolleginnen und Kollegen aus Betrieben und Gewerkschaften wurden viele Einzelfälle sowie Regelungen in Arbeitsverträgen und Betriebsvereinbarungen bekannt.
Geboten wird außerdem eine ausführliche Literaturübersicht und eine Liste von über 500 ausgewerteten und zitierten Tarifverträgen.
Die CDU
blockierte Studie
Acht Jahre brauchte das Werk bis zu seinem Erscheinen. In Auftrag gegeben hatte es noch die SPD/FDP-Bundesregierung. Nach der Wende in Bonn lehnte der damalige CDU -Familienminister Heiner Geißler die Veröffentlichung ab.
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Heide M. Pfarr/Klaus Bertelsmann: Diskriminierung im Erwerbsleben - Ungleichbehandlungen von Frauen und Männern in der Bundesrepublik Deutschland. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 1989
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