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Gift-Blockaden in Lübeck

Mülltourismus in die DDR wurde wieder aufgehalten / Staus und eingespieltes Verfahren mit der Polizei  ■  Von Jürgen Oetting

Lübeck/Hamburg (taz) - Seit Anfang der Woche blockieren Umwelt-Initiativen und Grüne aus Lübeck den Grenzübergang zur Sondermülldeponie Schönberg (DDR) in Lübeck-Schlutup. Gestern morgen hatten sie ein Erlebnis der beängstigenden Art. Entgegen der bisherigen Kolonnenpraxis wurden zwei einzelne LKWs durch die BlockiererInnen geschleust. Die zwei Transporter der Gießener Firma Westap waren mit Gefahrgut der Horror-Klasse „6/1“ beladen, sozusagen mit reinem Gift.

Diese Wagen dürfen wegen der Gefährdung, die von ihnen ausgeht, nicht stehenbleiben, hieß es. Auf Nachfragen erklärte die Polizei jedoch, die LKWs würden an jeder roten Ampel halten. Das berichtete die Hamburger GAL-Politikerin Conny Jürgens, die ebenfalls nach Lübeck gefahren war.

Bereits am Montag war es zu Zwischenfällen beim Gift -Protest gekommen. Mitglieder der Umweltmusikgruppe „Lebenslaute“ wurden vorläufig festgenommen und vier Stunden festgehalten. Die jungen „Lebenslaute„-Frauen mußten sich auf der Wache bis auf den Slip ausziehen, die Männer nicht.

Vor Ort hat sich inzwischen ein Ritual eingespielt. PKWs dürfen die Blockade im Halbstundenrhythmus passieren, alle zwei Stunden wird die Demonstration „aufgelöst“ und die zwischenzeitlich zu einem langen Stau aufgefahrenen Giftlaster fahren gen Schönberg.

Vorgestern geriet das übliche Verfahren in Gefahr. Mehrere Fernfahrer drohten durchzudrehen. Die Polizei erwog, die Blockade endgültig zu beenden. Doch nach Interventionen des Lübecker Oberbürgermeisters Bouteiller (SPD) beruhigte sich die Lage wieder und es wurde verfahren wie bisher.

Ebenfalls vorgestern hatten die BlockiererInnen eine Grußadresse des Pastorenkonvents der Propstei Wismar-Land (DDR) erhalten, in der die Aktionen gegen den Mülltourismus begrüßt wurden. Die Blockaden verliefen bis gestern ohne weitere Zwischenfälle.

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