: Höchste Zeit für 'Die Rechte Zeit‘?
■ Ein „Republikaner„-Funktionär gibt eine eigene Zeitung heraus / Auflage: 70.000 / Die Partei will mit 'Der Rechten Zeit‘ nichts zu tun haben / Mit gefälschten Anzeigen „solide Finanzierung“? / Wir ersparen euch durch unsere Rezension den Kauf
Welche Explosion auf dem Berliner Zeitungsmarkt! Fast zeitgleich mit der Nullnummer der 'Neuen Zeitung‘, die ab 1. Dezember das alte SEW-Parteiorgan 'Die Wahrheit‘ ablösen soll (die taz berichtete), beglücken auch die „Republikaner“ die Berliner mit einem neuen Produkt. Titel: 'Die Rechte Zeit - Berliner Republikaner'; sie soll von Oktober an einmal monatlich für den Preis von einer Mark und mit der stattlichen Auflage von 70.000 Exemplaren die publizistische Vielfalt der Stadt bereichern.
Allerdings: der Eindruck den schon der Kopf der Zeitung erweckt, nämlich ein Parteiblatt zu sein, trügt. Der Landesvorstand der Partei und die Fraktion im Abgeordnetenhaus versicherten gegenüber der taz, mit dem achtseitigen Pamphlet nichts zu tun zu haben. Dies bestätigte dann auf Anfrage auch der im Impressum genannte Herausgeber Oliver Straube, derzeit stellvertretender Landesvorsitzender der „Republikaner“. Zusammen mit dem „einfachen“ Parteimitglied Arnd Joachim Garth hat er eigens einen Verlag gegründet, die Goten Verlags GmbH, in der das Blatt „monatlich“, wie es im Impressum heißt, von einem „Redaktionscollegium in Gründung“ erstellt wird.
'Die Rechte Zeit‘ werde privatwirtschaftlich finanziert, so Straube, die Finanzierung sei solide. Er verweist mit stolzer Stimme auf die Anzeigen, die jedoch jedem einigermaßen aufmerksamen Leser sofort als gefälscht ins Auge springen müssen. Zitat aus der Werbung für eine bekannte Automarke: „Modelle wie der 'GT‘ und der 'Manta‘ waren Reißer vergangener Automobilnamen. Heute heißt der Star 'Calibra‘. Sein Desing (sic!) ist bestechend...“ Zu diesen Anzeigen wolle er sich nicht äußern, wehrte Straube Fragen nach den Auftraggebern ab.
Ähnlich seriös ist die politische Berichterstattung, die diesen Namen kaum verdient, und doch, so der Herausgeber, „jeden wachen Berliner interessieren“ müsse. Der Inhaltskasten verspricht viel: „Parteistreit“ (nicht etwa Parteienstreit), gefolgt von der „AL ohne Maske“ und dem unvermeidlichen „Wahlrecht für Deutsche“, und, ganz verheißungsvoll, „Multikulturel - Antikulturel (sic!)“. Hier zeigt sich so richtig das Hauptstadtniveau.
Auf dieses wird der Leser auch sonst auf der Seite 1 eingestimmt: Ein bröckelndes West-Berlin mit dem rot-grünen Senat in der Mitte droht unter Busspuren, Feministinnen, dem Bleiberecht für kriminelle Asylanten etc. auseinanderzubrechen - Stichwort „Ökodiktatur“. Aufgemacht auch hier, natürlich, mit der Massenflucht von DDR-Bürgern, darunter der Anfang einer Serie zum Kampf gegen Drogen, unter dem Motto: „Der EG-Markt steht bevor, Dealer bald vor den Schulen unserer Kinder“.
Nicht jedes Highlight kann hier gewürdigt werden, obwohl jenseits aller politischen Impertinenz eine sprachliche Peinlichkeit die nächste jagt. Auf Seite 2 wird gegen die AL -Initiative für das Bleiberecht für Ausländer mobilisiert, mit den üblichen immergleichen „Argumenten“. Daneben, brandaktuell, wird in der 1.-Mai-Anarchismus-Mottenkiste gegraben, oder auf Seite 5, das Koalitionspapier des Senats in Auszügen dokumentiert. Damit ist dem Dämon AL wohl endgültig die Maske vom Gesicht gerissen.
Und, nicht zu vergessen, auch REPs haben ein Herz für Tiere. Sie sprechen sich gegen Tierversuche aus und befassen sich ganz ausführlich unter der Rubrik „Thematik Umwelt“ mit Katzenspreu aus Stroh. Und last not least, Zwischenüberschriften aus dem Artikel, der das Schreckgespenst multikulturelle Gesellschaft beschwört: „Im Kulturtopf ist eine ungenießbare Suppe“ oder „Mit der Kultur ist es wie mit der Umwelt: Mann (sic!) kann sie nur einmal zerstören“.
Übrigens: vorbereitet wurde das Zeitungsprojekt unter anderem von REP-Mitglied Detlef Tannenberger, der aber jetzt leider mit anderen Dingen beschäftigt ist; er wurde unter dem Vorwurf der Vergewaltigung einer Anhalterin im Juli verhaftet. Auch anderweitiger Ärger könnte den Blattmachern bald blühen: sie erwecken mit dem Kopf auf Seite 1 den Eindruck, offizielles Parteiorgan zu sein. Ein Sprecher der Fraktion vermutete gegenüber der taz, daß die Bundespartei eventuell gerichtliche Schritte einleiten werde, weil die publizistischen Rechte beim Parteiorgan 'Der Bundesrepublikaner‘ liegen.
kd
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen