piwik no script img

Auflösungserscheinungen

Abschiedsbrief der Tempelhofer „Republikaner“ an die Münchener Bundeszentrale  ■ D O K U M E N T A T I O N

Diesen mit 34 Unterschriften versehenen Brief sandten die Tempelhofer REPs gestern an ihren Bundesvorsitzenden Franz Schönhuber. Unter den Austritten befindet sich auch der Kreisvorstand und zahlreiche andere Funktionäre.

Sehr geehrter Herr Schönhuber,17. Oktober 1989

aus Verärgerung über dümmliche Machtkämpfe, die zum Teil durch Fehlentscheidungen und Führungsschwäche des Bundesvorsitzenden eskalierten, sehen wir uns gezwungen, unseren Austritt aus der Partei „Die Republikaner“ zu erklären.

Wir sehen, daß diese Partei Ihr Lebenswerk ist, wir sehen aber auch, daß durch undurchdachte Personalpolitik (ehemalige NPD-Mitglieder in Führungspositionen!) eine innerparteiliche Linienführung vollzogen wird, mit der wir uns nicht identifizieren können.

Wenn die Landesverbände zerbrechen, weil nach unserer Ansicht von Ihnen Entscheidungen bewirkt werden, die demokratische Grundformen deutlich negieren, kann diese Partei nicht länger die unsere sein.

Wir fragen Sie, welchen Sinn hat es, ca. 170.000 DM für einen gebrauchten, gepanzerten BMW und ca. 6.000 DM für einen Leibwächter im Monat auszugeben?

Ihnen ist nun auch scheinbar Europa wichtiger als Deutschland geworden. (...) Hören Sie auf, sich in Straßburg für Polen einzusetzen, und setzen Sie sich lieber dafür ein, daß die deutsche Teilung überwunden werden kann, denn dafür wurden Sie gewählt!

In einer Wahlveranstaltung am 18.1.1989 anläßlich der Berliner Wahl sagten Sie: „Brüssel ist der Sackbahnhof für gescheiterte Politiker in Deutschland!“, was meint der Politiker Schönhuber nun, wenn er am 17.7.1989 schreibt: „...außerdem müssen wir in Straßburg saubere Arbeit leisten“? Uns verbleibt nur noch, Ihnen auf Ihrem Weg viel Glück zu wünschen und zu hoffen, daß Sie über das Geschriebene ein wenig nachdenken. Mit freundlichen Grüßen

„Die Republikaner„/Kreisverband Berlin Tempelhof

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen