: BRD-Ehrenkreuz für Kommunisten
■ Willy Hundertmark, Nazi- und BRD-verfolgter Kommunist, wurde ausgezeichnet
Ein „historisches Ereignis“, sagt der Bremer Bürgermeister Henning Scherf: Zum ersten Mal in der bundesrepublikanischen Geschichte bekommt ein Kommunist das „Bundesverdienstkreuz I. Klasse“ für seine Verdienste um Volk und Staat, unterzeichnet von dem Präsidenten Richard von Weizsäcker. Scherf lobt die „fröhliche, offene Art“, in der Hundertmark trotz mehrfacher Verfolgung junge Menschen begeistern kann und immer wieder über das Grauen der deutschen Geschichte aufklärt. Scherf deutet das Problem dieses Ordens, der „auch noch so aussieht wie ein Eisernes Kreuz“, für die Anerkennung von Hundertmarks politischem Leben an.
Aber Hundertmark nimmt an. Präsident Weizsäcker habe mit seiner 8.Mai-Rede 1985 alle Gruppen des Widerstands anerkannt, erklärt er. Vom Parteivorstand der DKP aus Düsseldorf ist Willi Gerns da. Die Kommunisten hätten diese Republik anfangs abgelehnt, erinnert der, inzwischen aber „sich hineingearbeitet“.
Nach dem Kriege war Hundertmark für ein Jahr Sekretär der sozialdemokratischen Partei in Bremen/Oldenburg. Es hätte eine „Einheitspartei“ werden können, meinte Hundertmark noch heute, wie in osteuropäischen Ländern... Ollenhauer -Funktionäre warfen den Kommunisten 1946 raus.Hundertmark ist nach wie vor parteilich für die DDR und sieht die Entwicklungen der letzten Wochen mehr mit Sorge als mit Hoffnung. Zwischen Ehrung und Umtrunk nahm er sich ein paar Minuten Zeit für unangenehme taz-Fragen.
Du kämpfst für den Sozialismus auch auf deutschem Boden. Wie kannst Du Dir das, angesichts der Entwicklung in Osteuropa, noch vorstellen?
Osteuropa wird natürlich schwächer werden. Was Adenauer 1953 am Abend nach der Bundestagswahl gesagt hat, wird aktuell: Es wird nicht mehr von der Wiedervereinigung geredet, sondern von „Befreiung“. Wenn wir das nicht verhindern, hier. Es hat gar keinen Sinn, daß wir dahin gucken, wir müssen hier gucken. Der deutsche Imperialismus hat sich dermaßen konstituiert, daß er die europäischen Kapitalisten in der Hand hat.
Unter den Kommunisten in der DDR wird in diesen Tagen heftig diskutiert, was falsch gemacht worden ist...
Weniger bei wirtschaftlichen Maßnahmen, sondern mehr wie man das, was gelaufen ist, den Menschen vermittelt hat. Ich höre jeden morgen erst einmal Radio DDR, es gibt da eine ganze Reihe von Aussagen der Arbeiter in den Betrieben, die darauf hinauslaufen: Keine Änderung der wirtschaftlichen Basis, aber Änderung einer Reihe von Methoden, Mitspracherecht und so weiter.
Warum fliehen so viele DDR-Bürger jetzt in die Bundesrepublik? Was treibt sie?
Was weiß ich? Die großen Versprechungen, die hier gemacht werden: Hier könnt ihr sofort ein Auto kaufen, in der DDR müßt ihr 10 Jahre warten... Aber: Hier bezahle ich zehn Jahre lang ab - oder? Manchmal ist es Abenteuerlust, manchmal ist es doch Frust.
K.W.
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Bundesverdienstkreuz in Kommunisten-Hand
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