: Bilder eines abgetrotzten Lebens
■ Fotoausstellung in Hamburg dokumentiert die Auseinandersetzungen um die von Abschiebung bedrohten Roma in Neuengamme
Monatelang haben auf dem Gelände des ehemaligen KZ's Neuengamme aus Polen und Jugoslawien geflohene Roma um ihr Bleiberecht gekämpft. Die Fotografinnen Isa Walther, Cordula Kropke und Marily Stroux haben die Ereignisse um diese anderthalb Jahre dauernde Auseinandersetzung dokumentiert und in der „Roten Flora“ (einem umstrittenen Stadtteilzentrum am Schulterblatt) ausgestellt.
Von der Balkendecke des ehemaligen Theaterfoyers am Schulterblatt hängen an Schnüren zwei Dutzend Rahmen. Die großformatigen Schwarzweißaufnahmen zeigen die Stationen von Bedrängnis, Widerstand, staatlicher Aktion und folgender Reaktion. Sie zeigen aber auch einen Zipfel Alltag der Volksgruppe im feindlich gesonnenen Land, dem sie zumindest die Duldung abtrotzen wollen.
Der Untertitel der Ausstellung ist mißverständlich: „1939 1989: vergast - verfolgt vertrieben“, steht auf den Plakaten. Die drei Begriffe stehen für das Schicksal, das die Roma in diesem Jahrhundert (nicht nur in Deutschland) erleiden mußten. Die Bilder der drei Fotografinnen zeigen ausschließlich die Dramatik der Gegenwart: Die Räumung des Protestlagers auf dem ehemaligen KZ-Gelände in Neuengamme am Anfang dieses Monats
und auf die Protestaktion vor dem Rathaus. Sie weisen auf das kärgliche Leben in den Notunterkünften in Kirchengemeindehäusern
hin, zeigen aber auch den direkten Kontakt mit der Macht die Übergabe einer Petition an Hamburgs Innensenator Hackmann
durch Funktionäre der Rom und Cinti Union (RCU) im Rathaus, wobei die Kontrahenten nur ein Mikrophon des NDR trennt. Ei
nes der stärksten Bilder zeigt denhilflos hilfswilligen FDP -Vorsitzenden Robert Vogel, der neben dem verzweifelten Vehbija Adzovic posiert. Der Roma, so ist aus dem Bildtext zu erfahren, konnte kurz zuvor davon abgebracht werden, sich in einem Keller auf St. Pauli mit dreien seiner Kinder selbst zu verbrennen. Den Immobilienkaufmann Vogel drängte es daraufhin zu einer Spende von 500 Mark.
Das Leben der engagierten Roma in Hamburg ist ein Kampf um jeden Tag, das vermitteln die
Fotos eindrücklich. Ein Kampf um ein noch so provisorisches Leben. Die Flora ist daher der geeignete Ort für die Ausstellung. Provisorisch wird der hohe Raum nur hinlänglich von einem einzigen Kanonenofen geheizt. Provisorisch sind in dem umstrittenen Raum selbst die Installationen - der Stromausfall während der Ausstellungseröffnung, während RCU -Vorstand Rudko Kawczynski über die Kontinuität der Zigeunerverfolgung sprach, bekam so eine eigentümliche Bedeutsamkeit.
Michael Berger
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