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UDF legt politisches Programm fest

■ Jozsef Antall als Vorsitzender des Ungarischen Demokratischen Forums gewählt / Privatisierung der ungarischen Wirtschaft, kontrolliert und unterstützt durch den Staat, gefordert

Budapest (afp) - das Ungarische Demokratische Forum (UDF) mit über 20.000 Mitgliedern die bedeutendste Oppositionsgruppe - hat am Sonntag den Historiker Lajos Für zum Präsidentschaftskandidaten nominiert. Das UDF hat zudem Jozsef Antall zum Vorsitzenden gewählt. Er gilt als möglicher Ministerpräsident, wenn das UDF nach den Parlamentswahlen 1990 in einer Koalitionsregierung eine führende Rolle einnehmen sollte.

Das Forum tagte seit Freitag in Budapest, um seine politischen Positionen festzulegen. Dabei sprachen sich die Delegierten für die Umwandlung der ungarischen Gesellschaft in eine Demokratie nach westlichem Muster aus. In seinem wirtschaftlichen Programm fordert das UDF „eine Privatisierung der ungarischen Wirtschaft, unterstützt und kontrolliert durch den Staat“. Langfristig gesehen, so die Oppositionsgruppe, sollte Ungarn assoziiertes Mitglied der Europäischen Gemeinschaft und ein neutrales Land werden. Dazu sei ein besonderer Status innerhalb des Warschauer Pakts notwendig, vergleichber dem Frankreichs innerhalb der Nato. Bei Fortdauern der „freundschaftlichen Beziehungen“ zur UdSSR sollten die „unilateralen Beziehungen“ Ungarns mit den Staatshandelsländern einer Orientierung weichen, die sowohl die ost- als auch die westeuropäischen Länder berücksichtige. In seiner Eröffnungsrede am Freitag hatte der Schriftsteller Istvan Csurka gesagt, das Land erlebe „die letzten Szenen des Zusammenbruchs einer Diktatur“.

Die 800 Delegierte umfassende Konferenz plädierte für eine Koalition mit der Ungarischen Sozialistischen Partei (USP) nach den Parlamentswahlen, die für das erste Halbjahr 1990 vorgesehen sind - unter der Bedingung, daß das UDF in der aus den Wahlen hervorgehenden Regierung eine wichtige Rolle spielt. Die USP war Anfang Oktober aus der kommunistischen Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei (USAP) entstanden. Bei den Parlamentswahlen will das UDF nach Angaben ihres Führungsmitglieds György Csoti in jedem Wahlkreis einen Kandidaten aufstellen. Jüngste Meinungsumfragen hätten für das UDF, so Csoti, 30 bis 40 Prozent der Stimmen bei den Parlamentswahlen ergeben gegenüber 10 bis 20 Prozent für die USP. Das Verhältnis des Forums zu den Sozialisten gilt als gut.

Antall würdigte ausdrücklich die „positive Rolle“ der neuen sozialistischen Partei und des Parlamentes. Die Präsidentschaftswahlen, die ursprünglich am 25. November hatten stattfinden sollen, werden wahrscheinlich auf Drängen der Opposition verschoben. Das ungarische Parlament hatte am Freitag die Entscheidung über den Zeitpunkt der Präsidentschaftswahlen auf Ende November oder Anfang Dezember vertagt.

Für sprach sich auf dem MDF-Kongreß für ein am bundsdeutschen oder italienischen Vorbild orientiertes Präsidentenamt aus. An der MDF-Konferenz nahmen auch Beobachter aus Westeuropa, den USA und der UdSSR teil. Nach Angaben des Direktionskomiteemitgliedes Csaba Kiss hatten die tschechoslowakischen Behörden zwei Delegierten der polnischen Gewerkschaftsbewegung Solidarität, die - aus der UdSSR kommend - als Gäste an der UDF-Konferenz teilnehmen wollten, die Durchreise durch die CSSR untersagt. Bei den beiden Delegierten handelte es sich um Bogdan Borusewicz und Zbigniew Janasz.

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