Wirtschaftswachstum 4 Prozent?

■ Forschungsinstitute legen Herbstgutachten vor / Warnung vor Arbeitszeitverkürzung

Bonn (ap) - Die fünf führenden Wirtschaftsinstitute der Bundesrepublik haben die Tarifparteien zu Behutsamkeit bei weiteren Arbeitszeitverkürzungen aufgerufen. In ihrem am Montag in Bonn veröffentlichten Herbstgutachten warnen sie zugleich vor zu hohen Lohnabschlüssen, die eine künftige Ausweitung von Produktion und Beschäftigung gefährden können. Anstelle von Leistungen, die die Lohnkosten dauerhaft erhöhen, sollten in Konfliktfällen besser Einmalzahlungen vereinbart werden. „Wenn die Arbeitnehmer das Gut Freizeit so hoch einschätzen, daß sie auf einen Teil der sonst möglichen Lohnerhöhung verzichten, muß gewährleistet sein, daß dies mit möglichst viel Flexibilität in der Handhabung für den einzelnen Arbeitnehmer und für den Betrieb geschieht.“

Günstiger als im Frühjahr schätzen die Institute jetzt die Wachstumsaussichten der Wirtschaft ein. Für 1989 erwarten sie ein Plus des Bruttosozialprodukts von real vier und 1990 von drei Prozent. In ihrem letzten Gutachten hatten sie noch drei und 2,5 Prozent erwartet.

Die fünf Institute - das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin, das HWWA-Institut für Wirtschaftsforschung, Hamburg, das IFO-Institut, München, das Institut für Weltwirtschaft, Kiel, sowie das Rheinisch -Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung, Essen wollen dem Facharbeitermangel durch eine möglichst rasche Qualifizierung der Aus- und Übersiedler entgegenwirken.

Weltweit erwarten die Institute 1990 ein Nachlassen der Wachstumskräfte, wobei unter anderem der Zinsanstieg die Bereitschaft der Unternehmen zu Investitionen dämpfen wird. Die Bundesrepublik als einer der größten Exporteure von Investitionsgütern dürfte dabei überdurchschnittlich betroffen sein, heißt es in dem Gutachten. Dennoch bleibe die Kapazitätsauslastung hoch, und die Beschäftigung werde weiter zunehmen.

Die Verbraucherpreise werden nach der Prognose 1990 um drei nach 3,5 Prozent in diesem Jahr steigen. Bei der Preisentwicklung fällt nach Ansicht der Institute auch ins Gewicht, daß die Mieten infolge der zunehmenden Engpässe bei Wohnraum „kräftig anziehen“ werden.

Die Arbeitslosenrate wird sich leicht verringern: von 7,9 in diesem auf 7,8 Prozent im nächsten Jahr. In absoluten Zahlen rechnen die Institute 1990 mit zwei Millionen nach 2,03 Millionen in diesem Jahr. Trotz der Zunahme der Erwerbstätigkeit werde die Arbeitslosigkeit vor allem wegen der wachsenden Zahl der Aussiedler und des Zustroms der Übersiedler kaum sinken.