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Soldaten-Gewerkschaft in Moskau

■ Neue Vereinigung hört auf den Namen "Schtschit" und fordert die Demokratisierung der Armee / Gewerkschaft darf sich nicht formieren

Moskau (afp) - Sowjetische Soldaten und Offiziere haben am Sonntag die erste „informelle“ Soldaten-Gewerkschaft der UdSSR gegründet, um die Armee zu demokratisieren und die „Korruption und Vetternwirtschaft“ in ihren Reihen zu bekämpfen. Rund einhundert Soldaten, Offiziere, Reservisten und aktive Bürger, die seit Samstag in einem Moskauer Kulturhaus versammelt waren, stimmten für ein Programm, das unter anderem fordert, daß die sowjetische Armee „niemals gegen ihr Volk oder gegen fremde Völker eingesetzt wird“. Die Soldaten-Gewerkschaft, die den Namen „Schtschit“ (Schild) trägt, hat nach Angaben eines ihrer Vorsitzenden, Witali Uratschzew, derzeit rund 400 Mitglieder, darunter einen U-Boot-Kommandanten und mehrere andere hohe Offiziere.

Schtschit erhielt auch Unterstützung von dem Jugendverband der KPdSU, Komsomol, und der neu gegründeten „Interregionalen Gruppe“ der radikalen Reformer im sowjetischen Parlament, von denen einige an dem Gründungskongreß teilnahmen. Die Gewerkschaft darf sich nicht als solche bezeichnen, da in der Verfassung für die Armee keine solche Interessenvertretung vorgesehen ist. „Schtschit“ versicherte, daß ihr Ziel die „Schaffung einer Armee neuen Typs sei, die Armee eines sozialistischen Rechtsstaats, mit einer substantiellen Verringerung ihrer Truppenstärke“. Sie fordert unter anderem die „progressive“ Unterdrückung von Strukturen der „politischen Führung“ in der Armee, die Verkürzung des Militärdienstes und die Abschaffung der wirtschaftlichen Aufgaben der Armee. Ihr Ehrenvorsitzender ist der 83jährige General Matwei Tschapotschnikow, der entlassen worden war, nachdem er sich 1962 geweigert hatte, seine Panzer zur Niederschlagung eines Arbeiteraufstands in Nowotscherkask im Süden Rußlands abzukommandieren. Daraufhin wurde Tschapotschnikow die Befehlsgewalt entzogen und seine Panzer wurden unter anderer Führung eingesetzt, wobei mehrere Dutzend Menschen getötet wurden.

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