: Zum Dienstleistungsabend gezwungen
■ Kaufmann in Nöten / Arbeitsgericht: Laden bleibt zu, Landgericht: Laden muß auf
Bernhard Kramer, Besitzer des größten Rotenburger Kaufhauses wird heute abend gegen Recht, Gesetz und ein Gerichtsurteil verstoßen und kann noch nicht einmal etwas dafür. Denn Kramer ist vom Arbeitsgericht in Verden/Aller per einstweiliger Verfügung dazu vergattert worden, die von ihm beschäftigten ArbeitnehmerInnen wie üblich nicht länger als bis 18.00 Uhr zu beschäftigen, während das Landgericht Hamburg das glatte Gegenteil entschied, nämlich den Laden am Dienstleistungsabend bis 20.30 Uhr geöffnet zu haben. Mißachtet er die Arbeitsgerichtsentscheidung, kann ihn das 5.000 Mark kosten, verstößt er gegen die Entscheidung des Landgerichtes können es 500.000 Mark werden.
Kramer betreibt in Rotenburg das Puls-Center. Der Laden teilt sich den Eingang mit dem Supermarkt von Johann Schröder. Beide wiederum sind Mieter der Spar-Zentrale in Hamburg. Schröder, dessen Supermarkt von Anfang an beim Dienstleistungsabend dabei war, mißfiel es heftig, daß seine Kunden nach 18.00 Uhr durch den Hintereingang in seinen Laden mußten. Schröder forderte die Vermieterin Spar auf, den Kollegen Kramer doch an die Einhaltung des Mietvertrages zu erinnern. Darin heißt es: „Der Mieter verpflichtet sich, seinen Kaufhausbereich zu ortsüblichen Öffnungszeiten analog den Öffnungszeiten des Vermieters zu betreiben.“ Klartext: Wenn Schröder will, muß Kramer auch. Also teilte Kramer den 50 Angestellten seines Betriebs mit, daß er gezwungen sei, sein Kaufhaus länger aufzuhalten: „Ich fordere Sie auf, uns am Donnerstag den 19.10. zur Verfügung zu stehen, da arbeitsrechtliche Konsequenzen auf Sie zukommen könnten.“
Der Betriebsrat dagegen befand, daß der Mietvertrag nicht das Betriebsverfassungsgesetz außer Kraft setzen könne. Denn immerhin sei die Zustimmung des Betriebsrates für eine längere Öffnung notwendig. Eine Argumentation, die das Arbeitsgericht in Verden mit einstweiliger Verfügung bestätigte. „Die Regelung im Mietvertrag führt nicht dazu, daß das dem Betriebsrat zustehende Mitbestimmungsrecht beseitigt wird.“ Daran ändere auch die Protokollnotiz zum Tarifabschluß nichts. Also mußte Kramer seinen Laden am Donnerstag abend um 18.00 Uhr schließen.
Soweit, so klar. Inzwischen aber hatte die Spar-Zentrale, aufgefordert von ihrem Mieter Schröder, das Landgericht in Hamburg, Kammer 19 für Handelssachen angerufen. Und diese Kammer entschied am Dienstag, ohne die Beteiligten angehört zu haben, daß Kramer gegen seinen Mietvertrag verstoße. Solange dieser Vertrag gelte, also bis zum 30. Juni 1995, habe er seinen Laden donnerstags bis 20.30 Uhr aufzuhalten.
Gegen welches Urteil Kramer heute abend verstößt, konnte er gestern nicht mitteilen. Doch vielleicht gibt es doch einen Ausweg. Zumindest die Betriebsratsvorsitzende Karin Kloß weiß einen. Das Arbeitsgericht habe ja schließlich nicht untersagt, den Laden am Donnerstag länger zu öffnen, sondern nur, die Beschäftigten nach 18.00 Uhr zu beschäftigen. „Aufmachen könnte er ja. Nur ob er das schafft, gleichzeitig durch drei Etagen zu springen, das ist eine andere Sache.“
hbk
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