: Asylsuchende schlafen erste Nächte draußen
■ Beratungsstelle im Sozialamt läßt seit gestern Flüchtlinge in Büros schlafen / Pensionen restlos überfüllt
Jede Neu-BremerIn, die es geschafft hat, im Gedrängel auf der Ausländerbehörde ihren Asylantrag abzugeben, wird als nächstes zur „Beratungsstelle für Flüchtlinge“ geschickt.
Diese befindet sich in zentraler Lage in der Langenstraße 35, wird bezahlt von der Arbeiterwohlfahrt und vom Amt für Soziale Dienste und soll eigentlich Flüchtlinge in allen Fragen des Lebens beraten. Seit Monaten beschäftigen sich die wenigen MitarbeiterInnen aber fast ausschließlich nur noch mit einer Frage: der Wohnungsfrage. Zwei MitarbeiterInnen, Heike Ulrich und Elisabeth Bach, sind voll ausgelastet - und mittlerweile überlastet - mit der „Erstunterbringung“. In ihren Karteikästen sind die rund 40 sogenannten „Hotels und Pensionen“ aufgeführt, in de
nen für teures Geld AsylberwerberInnen solange ein schäbiges Dach über dem Kopf haben, bis entschieden ist, ob sie in andere Bundesländer umverteilt werden, beziehungsweise bis sich in Bremen nach Monaten oder Jahren eine feste Bleibe für sie findet. Eine Übernachtung kostet pro erwachsene Person 20 Mark.
Anfang dieser Woche mußten die beiden Flüchtlings -Beraterinnen bei der „Erstunterbringung“ erstmals passen. Die 40 Hotels und Pensionen, die es sich in einer Zeit massiver Ausländerfeindlichkeit teuer bezahlen lassen, Flüchtlinge unterzubringen, sind restlos überfüllt. Hatten sich am Dienstag noch Einzelpersonen in Zimmer „dazuquetschen“ lassen, gestern war es ganz aus. Bis nachmittags waren 33 obdachlose Flüchtlinge bei der „Beratungs
stelle“ aufgelaufen, darunter zwei kinderreiche Familien. Einige hatten zwischendurch kurzzeitig Unterschlupf bei Bekannten gefunden, oder aber die Bremer Herbstnächte in Kneipen und Parks verbracht. Hunger litten sie nicht, da das Sozialamt ihnen auch ohne feste Adresse weiter Geld auszahlt.
Um nicht noch mehr Flüchtlinge in die kalte Nacht hinaus zu schicken, räumten die MitarbeiterInnen der „Beratungsstelle“ gestern ihre Büros und stellten Betten auf. Zwar ist behördenintern lange bekannt, daß nicht nur die Zahl der Aus -und ÜbersiedlerInnen sprunghaft steigt, sondern auch die der AsylbewerberInnen (September 1987: 99 - September 1988: 188, September 1989: 286) - aber AsylberwerberInnen, das weiß auch der Geschäftsfüh
rer der Arbeiterwohlfahrt, Hans Taake, „das sind immer die letzten“. Im Oktober kamen so viele wie seit 10 Jahren nicht mehr. Die meisten der Neuankömmlinge sind KurdInnen aus dem Libanon und aus der Türkei, Roma aus dem sozialistischen Polen und
GhanesInnen. Forderungen der Beratungsstelle: Die Stadt soll mehr Wohnraum kaufen als bisher und die Flüchtlinge nach dem gleichen Personalschlüssel betreuen, der auch den AussiedlerInnen zu Gute kommt.
Barbara Debus
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen