: „Vor uns liegt ein weiter Weg“
■ Frauen in Simbabwe - mit der Unabhängigkeit sollte eine neue Ära beginnen / Rechtssicherheit und eine fortschrittliche Gesetzgebung lösten das koloniale Erbe ab / Doch viele Frauen sind uninformiert und die Männer nutzen ihre angestammte Macht nach Kräften
Christa Wichterich
In den sechziger Jahren war ich einmal in der Post, um ein Paket abzuholen. Der Mann am Schalter weigerte sich, mir das Paket auszuhändigen. Ich ging auf die Straße, bat einen Mann, der gerade vorbeikam, mir zu helfen. Er konnte nicht schreiben, aber setzte seinen Daumenabdruck unter den Empfangsschein und bekam das Paket für mich. So war das früher, Frauen galten als Kinder.“ Lydia Chikwavaire erinnert sich an die Zeit, als Frauen in Rhodesien formal als Unmündige behandelt wurden, egal wie alt sie waren. Ihr Vormund war zuerst der Vater, dann der Ehemann. Nur Witwen und geschiedene Frauen waren frei von männlicher Vormundschaft. Lydia ist Leiterin des Simbabwe Women's Bureau. Befragt nach dem Ziel dieser Organisation, antwortet sie: „Aufklärung. Die Frauen in Simbabwe müssen ihre Rechte kennenlernen. Viele haben keine Ahnung, daß sich die Gesetze zu ihren Gunsten geändert haben.“
Seit der Unabhängigkeit 1980 hat die Regierung eine Reihe von Gesetzen verabschiedet, die Rechtssicherheit für Frauen schaffen sollen. Diese - im Vergleich mit anderen afrikanischen Staaten - sehr fortschrittlichen Gesetze sind eine Antwort auf die wichtige Rolle, die Frauen im antikolonialen Befreiungskampf spielten, teilweise mit der Knarre in der Hand. Diese Frauen erwarteten von dem unabhängigen Staat, für den sie gekämpft hatten, daß die Gleichheit im Kampf eine Fortsetzung im Frieden finden würde. Doch die Hoffnung, daß die nationale Befreiung auch die Frauenbefreiung mit sich bringen würde, entpuppte sich als Windei. Wie in anderen Ländern bestand auch in Zimbabwe die Tendenz, die Kämpferinnen in die alte Frauenrolle zurückzuschicken: aufs Feld, an den Herd, zu den Kindern. Neue Rechte, alte Macht
„1983 stellten wir fest, daß die Situation von Frauen sich überhaupt noch nicht geändert hatte“, sagt Elizabeth Rider von der Women's Action Group. Neue Gesetze brauchte das Land, aber mit Paragraphen allein war es noch nirgendwo getan. Die neuen geschriebenen Rechte sollen auch gelebte Recht werden.
Doch die neuen Gesetze stoßen auf ebensoviel - meist männlichen - Widerstand wie Zustimmung. „1986 kam ich an eine Dorfschule“, erzählt Lydia Chikwavaire. „Eine Lehrerin unterrichtete hochschwanger. Sie wußte noch nicht, daß 1985 ein Mutterschaftsgesetz verabschiedet worden war. Der Schuldirektor war von der Regierung benachrichtigt worden, aber hatte die Information zurückgehalten.“ Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Eigentums- und Erbrechte für Frauen, ein Scheidungsrecht - das sind zwar Meilensteine, die in wenigen Jahren für die Rechtssicherheit von Frauen gesetzt wurden. Doch Lydia schätzt die Situation sehr nüchtern ein: „Wir haben schon einen weiten Weg hinter uns gebracht, aber wir haben noch weit zu gehen. Den Weg - den müssen wir selbst austreten.“
Daß den Frauen dabei reichlich Steine zwischen die Füße geworfen werden, zeigt zur Zeit der konzentriert männliche Aufschrei darüber, daß Väter für ihre nichtehelichen Kinder unterhaltspflichtig sind. Offenbar geht's den Herren ans Eingemachte: an ihre Macho-Ehre und ans Portemonnaie: Gerade haben sie sich, zwei Jahre nach Verabschiedung des Gesetzes, zu einem Rachefeldzug formiert: Sie seien nicht nur die unschuldigen Objekte weiblicher Verführung, sondern auch des Betrugs; Frauen bekämen Kinder, nur um das Unterhaltsgeld einsacken und ihre männlichen Opfer ausnehmen zu können. Kollisionen
Die Alimentspflicht füllt eine Rechtslücke, die das neue Gesetz zur Volljährigkeit aufgetan hatte. Eltern klagen, daß sie machtlos sind, wenn die gerade volljährige Tochter mit achtzehn schwanger wird - nach traditionellem Recht konnten sie den Vater zur Rechenschaft ziehen. In diesem Fall kollidiert somit das neue Recht mit dem traditionellen Recht der Shona und Debele, der beiden großen Bevölkerungsgruppen in Simbabwe. Es zeigt sich, daß die neuen Freiheiten durchaus auch ihre Pferdefüße und Falltüren haben.
„Viele Frauen wissen immer noch nicht, daß sie Unterhalt für ihr Kind bekommen können“, sagt Elisabethz Rider, die gerade ein neues Heft der Zeitschrift 'Speak out‘ für die Druckerei fertigstellt. Mit der Zeitschrift betreibt die Women's Action Group Werbung für die Gesetze, macht sie bekannt und verständlich, entkräftet die männlichen Proteste oder macht sie durch Karikaturen lächerlich. Die Gruppe versucht auch, direkt Einfluß auf die Verabschiedung von Gesetzen zu nehmen. Gerade hat sie dem Justizministerium eine Vorlage für ein Gesetz zur Vergewaltigung zugeschickt und gefordert, daß eine Kommission zu dem Thema eingesetzt wird.
Durch die schnelle Verstädterung sind die traditionellen Werte und sozialen Kontrollen zusammengebrochen. Vergewaltigung ist in Harare vor allem ein Wochenendphänomen, wenn die Menschen in der Stadt sich besonders allein und isoliert fühlen und viele Männer sich allzusehr mit Alkohol trösten. Der Herr im Haus
Auch in der Ehe hat Gewalt am Wochenende Konjunktur. Viele Männer betrachten es als ein Gewohnheitsrecht, ihre Frau zu verprügeln wie ein ungezogenes Kind. Der Brautpreis, den der Bräutigam an die Familie der Frau zahlt, gibt ihm das Gefühl, daß die Frau sein Besitz ist. Derselbe Brautpreis hindert verprügelte Frauen daran, ihre Männer zu verlassen, denn dann müßten die Eltern den Brautpreis zurückzahlen.
Daß es Liebe sei, wenn ein Mann seine Frau schlägt - diese Auffassung selbst im Parlament zu vertreten, war sich ein Senator noch vor wenigen Monaten nicht zu schade. Handgreiflichkeiten gegen Frauen sollten ihnen doch nur „eine Lektion erteilen“, meinte der Senator in der Debatte. Er wurde zwar vom Justizminister aufgefordert, in Zukunft auf solche Liebesbeweise seiner Frau gegenüber zu verzichten, rechtfertigte die Prügel jedoch als „traditionell in unserer Kultur“.
„Früher wurden Frauen auf dem Land zwar auch von ihren Männern geschlagen, doch der Clan ist sofort eingeschritten, wenn der Mann zu weit ging“, erklärt Sheelagh Stewart, die Musasa ( Schutz) ins Leben gerufen hat, eine Beratungsstelle für Opfer sexistischer Gewalt in Harare. Heute nehmen gerade die Fälle schwerer Körperverletzungen zu.
Anlässe, um ihre Hand gegen Frauen zu heben, finden die Männer genug: Wird die Frau zu selbständig, hat sie einen Job und ein eigenes Einkommen, sind Prügel ein oft verzweifelter Versuch, den männlichen Machtanspruch klar und die Kontrolle sicherzustellen. Dolly, eine der Beraterinnen bei Musasa, berichtet aber auch, daß Männer bei völlig nichtigen Anlässen, wie z.B. bei kalt oder zu heiß serviertem Essen, ausrasten. Ein neuer Grund für sexistische Gewalt ist Aids, denn einige Frauen weigern sich inzwischen, ohne Kondom mit ihrem Mann zu schlafen, weil sie wissen, daß die Männer promiskuitiv sind.
Zwar sind die Frauen sozialisiert, die Schuld für Prügel immer bei sich selbst zu suchen, doch bei manchen ist offenbar das Ende der Duldsamkeit erreicht: Sie gehen zur Polizei.
Vor ein paar Jahren neigten Polizisten noch - wie ihre Kollegen in anderen Ländern - dazu, Anzeigen in Schubladen verstauben zu lassen, weil sich eine Einmischung in innere Familienangelegenheiten dieser Art nicht gehörte. Musasa -Beraterinnen haben inzwischen Trainingskurse für Polizisten entwickelt, in denen diese lernen, wie sie auf Frauen in solchen Notsituationen eingehen und in häusliche Konflikte eingreifen können.
Musasa möchte nicht nur ein 24stündiges Krisentelefon anbieten, sondern auch ein Frauenhaus. „Wir suchen aber noch nach einem Modell für ein Frauenhaus, das der afrikanischen Kultur angemessen ist“, sagt Sheelagh. Nicht länger als zwei Wochen sollen die Frauen dort wohnen dürfen, nur eine Übergangslösung, keine Alternative zur Familie soll aufgebaut werden.
Wege zu finden, die „der afrikanischen Kultur angemessen“ sind, ist eine Notwendigkeit, aber auch eine Gratwanderung. Denn die „afrikanische Kultur“ wird immer dann als universaler Rechtfertigungstopos ins Feld geführt, wenn es an vernünftigen Argumenten mangelt und es darum geht, die patriarchalen Anteile afrikanischer Kultur fortzusetzen, bis hin zu der schlagenden Erklärung, daß „Abwaschen nicht Teil afrikanischer Männerkultur“ ist.
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