Kröning: Rüstungsschmiede Bremen braucht Konversion

■ Bremer Senator diskutierte mit SPD-MdB Ehmke, DDR-Bischof Schönherr und Bremer MG über DDR und BRD im „Europäischen Haus“

Mit Neubauplänen für Fußballstadien und der Reform von Justizvollzugsanstalten allein ist ein Mann wie Bremens Justiz- und Sportsenator, Volker Kröning, noch lange nicht ausgelastet. Neben den alltäglichen lokalen Regierungspflichten macht Kröning sich auch gern ausgiebig Gedanken, wie es mit der Welt ansonsten, und darin in Sonderheit den Sozialdemokraten, bestellt ist. Im SPD -Vorstand ist Kröning z.B. Mitglied in dessen „Sicherheitspolitischer Kommission“ und damit ideologisch mitzuständig für sicherheitspolitische Fragen und Abrüstungskonzepte.

Wohl eher in dieser Eigenschaft saß Kröning am Samstag

auf dem Podium im vollbesetzten Gemeindehaus der St. -Stephaniegemeinde neben dem Ostberliner Bischof im Ruhestand, Albrecht Schönherr, seinem Parteifreund Horst Ehmke und einigen weiteren Diskutanten, um ein paar Dinge über Abrüstungspolitik zu sagen, die Ehmke kaum gefallen haben dürften und in denen z.B. auch Bremens Bürgermeister Klaus Wedemeier ziemlich anderer Meinung sein dürfte. Der hatte allerdings offensichtlich anderes zu tun, als über eine „Deutsche Frage und Europäische Friedensordnung“ zu diskutieren, mußte also auch nicht hören, daß sein Senatskollege von der Notwendigkeit für Rüstungskon version „gerade auch in der Rüstungsschmiede Bremen“ plädierte und für das „Grunderfordernis, Militär-und Rüstungsindustrie dem Primat der Politik zu unterwerfen.“. Dafür waren Pfarrer Albertz da, der SPD -Unterbezirksvorsitzende Armin Stolle, die ehemalige grüne Abgeordnete Christine Bernbacher, und vermutlich waren alle Krönings Meinung.

In den eigenen sozialdemokratischen Reihen sieht Kröning dagegen (zu) wenig zukunftsträchtige Abrüstungskonzepte, zu wenig Meinungsführerschaft in Sachen „Entmilitarisierung“ und zu viel „altes Gleichgewichtsdenken im Gewande paritätischer Sicher

heitsvorstellungen“. Kröning: „Man verläßt sich auch in der SPD auf den Abrüstungs-und mit ihm verbundenen Umrüstungsprozeß und denkt nicht über einen eigenständigen, radikalen Wandel zur Defensive nach.“ Und: „Die amtliche (d.h. wohl CDU-Regierungs-) und die sozialdemokratische Rüstungskontroll- und Verteidigungspolitik unterscheiden sich bei genauem Hinsehen stabilitätspolitisch nicht.“

Ähnlich sah das anscheinend auch die Marxistische Gruppe (MG), die die Sorge um den real existierenden Sozialismus im allgemeinen und die DDR im besonderen kollektiv in die Veranstaltung getrieben hatte. „Bei jeder

Rüsterei ist die SPD dabei“ brüllten die MarxistInnen hinten und zwangen die Diskutanten vorne ein ums andere Mal, das Mikrofon sinken zu lassen. Insbesondere Horst Ehmke hatte deshalb einige akustische Mühe, dem Bremer Genossen Kröning klarzumachen, daß die von ihm geforderte Verringerung der Bundeswehr auf rund 125.000 Mann „in der Nato nicht zu machen sei“. Unbeeindruckt von den Appellen von RB -Fernsehdirektor und Diskussionsleiter Rüdiger Hoffmann („Ich habe 68 auch mal so dagestanden wie Sie, habe inzwischen aber demokratische Spielregeln gelernt“), fiel der marxistische Gruppen-Chor dem „Heuchler“ Ehmke regelmäßig ins Wort: „Drüben soll man demonstrieren, in der BRD parieren.“

Abrüstungsfragen sind eines der weniger Felder, in denen der ehemalige Ostberliner Bischof Albrecht Schönherr keinen Nachholbedarf in der DDR sieht. „Auch Honecker hat in diesem Punkt ständig vernünftige Vorschläge gemacht, die bislang am westlichen Widerstand gescheitert sind.“ Der jetzt eingeleitete Refomprozeß in der DDR sei auch keiner für eine Rückkehr zum Kapitalismus, sondern „Für

einen effektiveren und gerechteren Sozialismus.“ Schönherr: „Für mich ist der Kapitalismus das Anbeten des Geldes. Wir können nicht wollen, daß jetzt auch ddie DDR in diesen Mammonismus hineinsschliddert und wir brauchen deshalb auch jetzt keine selbsternannten Ratgeber in der Bundesrepublik.“ Wiedervereinigung sei gegenwärtig „ein wenig gutes Wort“, sagte der Bischof unter Beifall des Publikums und Kopfnicken auf dem Podium. Anders als für das Bundesverfassungsgericht ist auch für den Bremer Verfassungssenator Kröning die Frage nach einem oder zwei deutschen Staaten „politisch“ seit 1949 entschieden: „Es gibt zwei deutsche Staaten.“

Das konnte auch Horst Ehmke unterschreiben. Aber sich völlig raushalten aus der aktuellen Entwicklung in der DDR ('wie die in diesem Punkt unfreiwillig komische Koalition aus Bischhof und MG forderte), will sich der stellvertretende SPD-Fraktionschef deshalb noch lange nicht. Eine sozialdemokratische Partei in der DDR will Ehmke auf jeden Fall unterstützen: „Wir treten überall in der Welt für Menschenrechte und Demokratie ein. Da ist die SED kein Naturschutzgebiet.“