: Neun Jahre für Roger Knobelspiess
Häftling, Schriftsteller und Symbolfigur der Pariser Intelligentsia wider Willen ■ Aus Marseille A. Smoltczyk
Es gibt Symbole, es gibt Helden - und es gibt Menschen, die zu 3.285 Tagen und Nächten Gefängnis verurteilt werden. Roger Knobelspiess gehört zu letzteren. Am Freitag sprach ihn das Geschworenengericht Perpignan schuldig des Überfalls auf eine Bank in Thuirs (östliche Pyrenäen). Knobelspiess hatte gestanden. Eine unbequeme Geschichte. 1972 wird der 26jährige wegen eines Tankstellenüberfalls zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt, zu Unrecht, wie sich - viel zu spät herausstellt.
In der Zelle beginnt Knobelspiess zu schreiben. Für sein Buch über die Hochsicherheitstrakte QHS (Quartier de Haute S'ecurit'e), das 1980 erscheint, schreibt ihm Michel Foucault das Vorwort. Die Pariser Intelligentsia hat in ihm ihr Symbol für den Kampf um die Knastreform gefunden. 81 erscheint ein zweiter Roman, L‘ Acharnement; im gleichen Jahr wird Knobelspiess noch einmal zu fünf Jahren verurteilt. Während eines Freigangs hatte er zwei Überfälle begangen, „eine Revanche für das Unrecht von 1972“, sagen die Gutachter. Doch der frisch gewählte Francois Mitterrand begnadigt Knobelspiess. Die Pariser Salons adoptieren ihn, er wird herumgereicht, halb „einer von uns Intellektuellen“, halb eine Art „guter Wilder“. Der Schock kommt 1983: Wieder wird Knobelspiess verhaftet. Diesmal unter dem Vorwurf, einen Geldtransporter überfallen zu haben. Die rechte Presse jubiliert: Mitterrands Unschuldslamm, ein Pistolero! Als Knobelspiess im Juni 1986 freigesprochen wird, geht ein heimliches Aufatmen durch die Linke.
Aber die Geschichte geht weiter. Im September 1986 wird er vom Gericht in Rouen vorgeladen. Er sei in eine Schießerei mit der Polizei verwickelt gewesen, heißt es. Eine dubiose Schießerei ohne Verletzte, ohne Einschüsse und ohne Patronenhülsen. Knobelspiess wird in Abwesenheit zu sieben Jahren verurteilt. Dann also jener 6. April 1987, an dem zwei Männer eine Bankfiliale in der Nähe Perpignans überfielen und wenig später gefaßt wurden. Einer von ihnen ist Knobelspiess. „Ich habe kein Blut vergossen“, hatte Knobelspiess in der Verhandlung gesagt. „Ich habe in meinem Leben drei Überfälle begangen - alle auf der Flucht vor Justizirrtümern. Keine andere Demokratie kann sich das leisten: 25 Jahre für zwei Überfälle.“ Seit Freitag sind es neun Jahre mehr.
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