Rubel vor Spaltung?

Präzise Vorschläge und 25.000 Dollar Belohnung  ■ Mit der Preisreform auf Du und Du

Berlin (taz) - Eine präzise Zusammenstellung von Schritten, mit denen die Sowjet-Ökonomie auf marktwirtschaftlichen Kurs gebracht werden soll, hat das Wochenblatt 'Ekonomicheskaya Gazeta‘ in seiner jüngsten Ausgabe veröffentlicht. Der Artikel trägt zwar keinen Autorennamen, doch wird er dem Chef des sowjetischen Instituts für Wirtschaft bei der Akademie der Wissenschaften, Leonid Abalkin, zugeschrieben. Abalkin ist kürzlich zum Chef einer Kommission für Wirtschaftsreformen ernannt worden.

Nach dem Artikel sollen die bisherigen rigiden Beschränkungen für Eigentum an Produktionsmitteln verschwinden und bis 1992 durch verschiedene Eigentumsformen von Aktiengesellschaften über Kooperativen bis hin zu Gemeinschaftsunternehmen ersetzt werden. Einige Formen des Privateigentums sollen ebenfalls zugelassen werden. Notmaßnahmen sollen gegen das Haushaltsdefizit von mindestens 350 Milliarden DM helfen: Bis Ende nächsten Jahres sollen alle unprofitablen Fabriken geschlossen oder durch die Belegschaft geleast, gekauft oder in Kooperativen umgewandelt werden. Bis Ende 1991 soll ähnliches auch im Agrarsektor durchgesetzt sein.

Ein Arbeitsmarkt soll das bisherige zentralisierte System ersetzen. Zur Absicherung gegen Armut und Arbeitslosigkeit sollen Mindestlöhne und eine Art Arbeitslosengeld eingeführt werden.

Freie Marktpreise sollen für die meisten Großhandels- und einige Einzelhandelsbereiche gelten. Einige Nahrungsmittel und Haushaltswaren bleiben subventioniert, aber Luxus- und Importgüter werden zum Marktpreis verkauft. Rohstoff-Preise sollen sich am Weltmarkt orientieren; von der Regierung geschützte Preise gelten nur noch für wenige Schlüsselprodukte. Für Arme und Ältere soll ein Sozialsystem entstehen, das an die Inflationsentwicklung angepaßt wird. Und neben dem bislang noch nicht konvertierbaren Rubel soll eine zweite Währung eingeführt werden, die gegen Westdevisen frei getauscht werden und den Außenhandel stimulieren kann.

In einem gestern veröffentlichten Interview mit der 'Welt‘ räumte Abel Aganbegjan, Berater Gorbatschows in Wirtschaftsfragen, jedoch ein, daß die Gefahr bestehe, der „zweite Rubel“ könne den ersten im Wert überrunden. Zur Lösung des Problems, wie der Rubel schnell konvertierbar gemacht werden kann, hat sich die Akademie der Wissenschaften etwas ganz besonderes einfallen lassen: Zusammen mit einem US-Institut und „dem Fonds eines reichen Mannes“, so Aganbegjan, sei ein Wettbewerb ausgeschrieben worden. Der beste Vorschlag zur Konvertibilisierung werde mit 25.000 Dollar prämiert, der zweitbeste mit 10.000 Dollar.

diba