Mehr Geld für die sowjetischen Alten

■ Der Oberste Sowjet billigte 40prozentige Rentenerhöhung / Besondere Vergünstigung für Bergarbeiter / Streiks in der Bergarbeiterstadt Workuta haben sich dramatisch ausgeweitet / Im Donez-Becken entschieden sich die Kumpels gegen Streik

Moskau (dpa) - Der Oberste Sowjet der UdSSR hat am Donnerstag über eine 40prozentige Rentenerhöhung diskutiert und einen entsprechenden Gesetzentwurf in erster Lesung gebilligt. Wie die amtliche sowjetische Nachrichtenagentur 'Tass‘ meldete, beschloß der Oberste Sowjet, den von Minister präsident Nikolai Ryschkow erläuterten Entwurf „zwecks landesweiter Diskussion zu ver öffentlichen“.

Ryschkow bezeichnete das Gesetz „zur wesentlichen Verbesserung der materiellen Lage der Rentner“ als „Schritt zur Verwirklichung einer starken Sozialpolitik der KPdSU“. Die jährlichen Kosten der geplanten Rentenreform würden sich auf 29 Milliarden Rubel (87 Milliarden D-Mark) belaufen. Der Ministerpräsident sagte in diesem Zusammenhang „besondere Vergünstigungen“ für Bergarbeiter zu. In der UdSSR erhalten Frauen, die 20 Jahre, und Männer, die 25 Jahre lang gearbeitet haben, mit 55 beziehungsweise 60 Jahren ein Anrecht auf volle Rente. Nach der bisherigen Regelung betrug die sowjetische Höchstrente rund 120 Rubel (360 D-Mark).

Inzwischen hat sich der Streik in der am Polarkreis gelegenen sowjetischen Bergarbeiterstadt Workuta dramatisch ausgeweitet. Wie ein Sprecher der vereinigten Streikkomitees am Donnerstag telefonisch mitteilte, befinden sich nun elf von insgesamt dreizehn Gruben im Ausstand. Mit dem Beginn der Frühschicht würden auch alle Gruben der rund 200 Kilometer südlich von Workuta gelegenen Stadt Inter die Arbeit niederlegen. Der Arbeitskampf soll nach Angaben des Sprechers zunächst bis zum Eintreffen einer Regierungskommission fortgesetzt werden. Die Bergarbeiter haben unterdessen Einspruch gegen einen Beschluß des Obersten Gerichts der Autonomen Komi-Republik eingelegt, der den Ausstand unter Berufung auf das im vergangenen Monat verabschiedete Streikgesetz für illegal erklärte. Die Bergleute wiesen darauf hin, daß sie ihren Arbeitskampf im August nicht beendet, sondern nur ausgesetzt hätten. Es handele sich also um keinen neuen Streik, das Gesetz dürfe nicht rückwirkend angewendet werden.

Im Donez-Becken in der Ukraine, dem größten Kohlerevier der Sowjetunion, haben sich die Kumpels gegen einen Streik entschieden. Wie 'Tass‘ am Donnerstag meldete, stimmten die Arbeitervertreter je zur Hälfte für beziehungsweise gegen den Ausstand. Zur Ausrufung eines Streiks ist jedoch eine Dreiviertelmehrheit erforderlich. Am Mittwoch hatten Zehntausende von Bergleuten für zwei Stunden die Arbeit niedergelegt, um ihre Forderung nach Erhöhung der Kohlepreise und nach politischen Reformen zu verstärken.