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Fürst und Fürst

■ Otto Modersohn aus der Sicht Rainer Maria Rilkes

„Sei du! Einer sein, als Künstler, heißt: sich sagen können. Das wäre nicht so schwer, wenn die Sprache von dem einzelnen ausginge, in ihm entstünde und sich, von da aus, allmählich Ohr und Verständnis der anderen erzwänge. ... Alles Eigene erfordert also, wenn es nicht schweigen will, eine eigene Sprache. Es ist nicht ohne sie. Das haben alle gewußt, die große Verschiedenheiten in sich fühlten.„

Schreibt Rilke, einer von denen, die in seiner anschließenden Aufzählung von eigensprachlichen Künstlern fehlen, in seinem Buch über Otto Modersohn, der auch fehlt, weil er zuvor zu deutlich gemacht hat, daß er ihn zu jenen zählt. „OTTO MODERSOHN von Rainer Maria Rilke“ heißt die Neuerscheinung aus dem Fischerhuder Galerie Verlag (108 S., viele Farbdrucke der Gemälde Modersohns, 14,80 DM). Selbstverständlich handelt es sich hierbei um eine Wiederveröffentlichung, die Neuauflage eines Teils

der Monographie „Worpswede“, die Rilke 1902 als Auftragsarbeit für den Direktor der Bremer Kunsthalle geschrieben hatte. Das Kapitel über Modersohn sollte darin ein selbständig wirkender Essay sein, eine kleine Perle nach allen Regeln Rilkescher Kunst.

Sehr liebevoll gemacht ist diese Ausgabe, mit Bildern des Elogierten geschmückt, zur Verdeutlichung der Beziehungen des Worpsweder Kunst-Vorstehers und des Gast-Worpsweder Dichter-Feingeists mit einem Anhang ausgestattet, der ihren Briefwechsel und Auszüge aus Rilkes Tagebüchern dokumentiert und von dem Rilke-Kenner Helmut Naumann mit einem ausführlichen Nachwort versehen.

Insgeheim bespiegelt sich der Dichter in seinem Essay über den Maler nur selbst. In dem Mann, der diese karge und weite Landschaft so liebevoll abmalte und dabei seine eigene Bildersprache entwickelte, kann Rilke deutliche

Züge seines eigenen Ideals vom Dichter entdecken, in seinem zurückhaltenden Schwärmen von dem Maler, den er als Leidensgenossen im ewigen Unverstandensein empfindet. Unverstanden wie er selbst, dem Schicksal des Künstlers folgend, der über eine eigene, also nicht konventionelle Sprache verfügt. So gipfelt seine Lobrede auf Modersohn darin, daß er diesen als Dichtermaler, als malenden Sprachkünstler bezeichnet.

Rilke porträtiert Modersohn, ein Buch, das sich von anderen Abhandlungen über den Maler schon durch die klare, zarte Sprache des Lyrikers unterscheidet, das keine Kunstbetrachtung sein will, sondern ein nachempfindender Aufsatz über einen Künstler, an dem der Poet seine Kunst -Theorie entfalten kann. Ein reichhaltiges Buch, ein schönes Buch, herbstselig, teufelsmoor-idyllisch.

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R.M. Rilke: Otto Modersohn, Galerie Verlag, 108 S., 14, 80 Mark

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