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Cocom: Im Jubiläumsjahr vor dem Aus?

Exportverbotsliste von den USA als Konkurrenzhilfe für die eigene Industrie mißbraucht  ■ Mit der West- und Ost-Technologie auf du und du

Paris (dpa) - Das Jubiläumsjahr brachte die Krise. 40 Jahre nach seiner Gründung am 22. November 1949 steht der von der Nato beherrschte Koordinierungsausschuß zur Kontrolle der Ostexporte (Cocom) im Kreuzfeuer der Kritik. In zentralen Mitgliedsstaaten wie der Bundesrepublik wächst die Forderung nach seiner Auflösung. Die Begründung: Mit der Ost-West -Entspannung und der revolutionären Hinwendung mehrerer osteuropäischer Staaten zur Demokratie wird der Cocom „kontraproduktiv“. Er bremst den Erfolg der Reformer im Osten und verlängert die Bedrohung durch die Altstalinisten.

Der wie ein Geheimbund wirkende Cocom wurde im „kalten Krieg“ als Antwort der drei Westmächte, Italiens und der Benelux-Staaten auf die Bedrohung durch den Stalinismus ins Leben gerufen. Sein Ziel: Jeden Export von Gütern in den Osten zu verhindern, der die kommunistischen Staaten stärken könnte. Hauptinitiator waren die USA, die auch heute noch am hartnäckigsten eine harte Linie gegenüber dem Osten befürworten. Doch seit der Umwälzung im Osten ist Washington im Cocom zunehmend isoliert. Bei der Oktobertagung in Paris standen die USA allein gegen die 16 anderen Mitglieder (die Nato-Partner ohne Island sowie Australien und Japan). Selbst Großbritannien stellte sich hinter die Forderung der Bundesrepublik, den krisengeschüttelten Wirtschaften Polens und Ungarns mit moderner Technik unter die Arme zu greifen.

Auf der Exportverbotsliste standen anfangs sogar Traktoren und Konservenmaschinen. Heute konzentriert sich das Verbot auf Rüstungsgüter, Kerntechnik und „militärisch nutzbare“ Waren. Doch was dazu gehört ist heftig umstritten und wird oft genug je nach eigenen Exportinteressen anders ausgelegt. Deshalb vereinbart die Cocom auf ihren wöchentlichen Geheimtreffen in Paris detaillierte Listen, die bis zum letzten Chip alles peinlich genau aufführen, was nicht in den Osten verkauft werden darf. Auch nach 40 Jahren ist immer noch unbekannt, ob es überhaupt einen „Cocom-Vertrag“ gibt oder nur ein „gentleman-agreement“. Sicher ist: Die Verbote wirken. Der Gruppendruck - oder die Angst vor Strafmaßnahmen der USA - ist groß genug. So gießt die 1950 beigetretene Bundesrepublik jede Vereinbarung in Verordnungen für den Export. Wer diese mißachtet, dem drohen drei Jahre Haft.

1988 gingen beim Bundesamt für Wirtschaft 6.572 Anträge auf Exportgenehmigungen ein, von denen 400 zur endgültigen Klärung dem Cocom-Büro in Paris übermittelt wurden. Doch die bürokratischen Kontrollen stoßen bei der Wirtschaft auf Kritik: Bis zu neun Monate müssen die Exporteure auf eine Entscheidung warten, teure Zeit im schnellen Busineß. Dabei werden nur fünf Prozent der Anträge tatsächlich abgewiesen. Anlaß zum Streit bringt auch die notwendige Kontrolle des Endverbrauchs, um Reexporte in den Osten zu verhindern. Zudem stehen noch Waren auf der Verbotsliste, die schon in Supermärkten zu finden sind und von Korea oder Brasilien an jeden verkauft werden, der sie haben will, zum Beispiel Kleincomputer mit dem Prozessor Intel 386.

In Europa und Japan wächst der Verdacht, die USA benutzten die Cocom zunehmend, um die Interessen ihrer eigenen Industrie gegen unliebsame Konkurrenz zu schützen. Wenn US -Firmen mit Aufträgen aus dem Osten rechnen können, so heißt der Vorwurf, wird die Verbotsliste gelockert. Gehen die Order aber an deutsche oder japanische Firmen, droht Washington mit dem Sanktionsknüppel.

So setzte US-Präsident Ronald Reagan auf dem Höhepunkt seines antikommunistischen Feldzuges 1984 durch, daß China nicht mehr als Feind, sondern als „befreundetes blockfreies Land“ eingestuft wird. Er machte damit den Weg frei für die US-Lieferung von Raketen und Feuerleitsystemen für die chinesische Volksarmee. Der japanische Toshiba-Konzern wurde dagegen wegen der Lieferung numerisch gesteuerter Fräsmaschinen an die UdSSR gerichtlich belangt und mit US -Importverboten belegt. Der - falsche - Vorwurf lautete, die Maschinen hätten der UdSSR erstmals den Bau superleiser U -Boote ermöglicht. Und die Franzosen warten immer noch auf die Genehmigung zur Lieferung von Telefonzentralen für die sowjetische Post.

Während die USA immer mehr Industrieländer - zuletzt 1989 Australien - mit kaum verhohlenem Druck in die Cocom drängen, droht die Organisation unter den Ereignissen im Osten zu bersten. Die SPD forderte bereits die Bundesregierung auf, sich nicht mehr an die Verbotslisten zu halten. Und die französische Presse rechnete vor, daß die USA sich wegen der Cocom nicht auf einen Konflikt mit Europa einlassen könnte, weil sie selbst von Euro-Produkten abhängig seien.

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