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Selbsthilfe kommt groß raus

■ Bremer selbstorganisierte Projekte stellen sich vor / „Keine Billigmacher“

Haben Sie dauernd Rückenschmerzen und keine Lust auf lebenslange Orthopäden-Spritzen? Sind Sie schockiert über die Diagnose 'Krebs‘ und suchen Gespräche mit anderen in gleicher Lage? Wollen Sie nicht mehr kritiklos Pillen schlucken? Ist Ihr Liebster chronisch oder psychisch krank und Sie als Angehörige ratlos? Für all das und für noch 150 Probleme mehr gibt es in Bremen Selbsthilfegruppen und selbstorganisierte Projekte, seit 1986 zusammengeschlossen im „Bremer Topf“. Mit zwei „Selbsthilfetagen“ unter dem Motto „Der Bremer Topf ist mehr als Geld“ präsentieren sich die Gruppen am Freitag und Samstag mit Debatten, Videos und Informationen, wollen zugehen auf eine interessierte Öffentlichkeit und auf kooperationsbereite Fachleute in Kliniken, Praxen, Behörden. Selbstorganisiert heißt: freiwillige Zusammenschlüsse Betroffener ohne Chefin, ohne Weisungsbefugnisse, ohne Hierarchien - und meist ohne Geld. „Wir sind keine Billigmacher als Ersatz für staatliche soziale Dienste, nicht behördlich verplanbar, nicht kostenlos, nicht verschreibbar“, räumte vor JournalistInnen Clemens Müller vom Gesundheitsladen gleich mit mehreren Vorurteilen auf, „wir machen so eine Art Leistungsschau, was Selbsthilfe ist, und suchen Kooperation, nicht Konkur

renz zum Gesundheitssystem.“

Gut geklappt hat die Team-Vorbereitung der Tagung zwischen immerhin 35 der 160 angeschlossenen Gruppen.

Viele der Projekte haben begonnen als Zusammenschluß für gegenseitige emotionale und psychosoziale Unterstützung und stießen schnell auf großen Bedarf. Die Folge: selbstorganisierte, zuerst private Beratungsdienste, neue Mitglieder, oft schließlich ABM-Stellen oder Honorarkräfte. So hat die 1979 als Selbsthilfe-Initiative gegründete „Stillgruppe“ inzwischen vier Stadtteilgruppen, eine Telefon -Beratung und Sprechzeiten über Honorarmittel in drei Bremer Krankenhäusern.

Mit dem Zusammenschluß der Selbstorganisierten hat Bremen eine Vorreiterrolle. Seit 1988 gibt es für die Bremer-Topf -Projekte Selbsthilfe-Fördermittel von inzwischen einer Million, zusätzlich zu den früher schon geflossenen 700.000 Mark. Das Geld kommt aus den Ressorts Gesundheit, Jugend und Soziales. Immerhin in Koperation mit den Gruppen wurden Vergabe-Richtlinien erstellt, die Gruppen in acht umstrittene Schubladen (Frauen, AusländerInnen, Gesundheit, Arbeitslose...) sortiert. Unter der Gesundheitssenatorin gibt es einen Beirat mit Topf-Mitgliedern, der zu den Förderent- scheidungen gehört wird. „Ein

respektabel offenes Verfahren“, wertete Albrecht Lampe vom Paritätischen Wohlfahrtsverband, „diese Beteiligungs-Kultur hat sich das Ressort Jugend und Soziales etwas vom Leibe gehalten.“

Was sich die Selbstorganisierten wünschen: Wenn schon die Selbsthilfegruppen gegenüber einem enormen Bedarf expandieren als Beratungsdienste und inzwischen oft genug als qualifizierte fachliche Hilfe bis hin zu Therapien und Arzneimittel-Beratungen, wenn diese Dienste für die Betroffenen weiterhin unbürokratisch und kostenlos sein sollen, freiwillig, aber verläßlich organisiert, dann brauchen die Projekte verläßliche Finanz-Mittel und ein Ende des Zitterns um ABM-Töpfe oder §-19-Stellen.

Bis zum Frühjahr soll der Behörden-Bericht zur Selbsthilfe -Förderung fertig sein, hoffentlich mit Beteiligung der Bremer-Topf-VertreterInnen erstellt. Von ihm wird auch abhängen, ob Haushalts- und Wettmittel weiterhin fließen. Albrecht Lampe: „Dieses gemeinsame Vorgehen von Initiativen und Behörde gibt es in keiner anderen Stadt der BRD.“ S.P

Fr.10., 15-21 Uhr, Sa.11., 10-18 Uhr, Schule am Wandrahm. Programme im Gesundheitsladen (4988634), DPWV (321532), HGA (4975163), Netzwerk (704581), Parit. Bildungswerk (615754).

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