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Schulfrei in Berlin

Im Osten Abrechnung mit der Vergangenheit  ■ E R E I G N I S D D R

An den Westberliner Schulen fiel am Freitag der Unterricht aus. Die Kinder - so die zuständige Senatorin Volkholz sollten die Chance zum historischen Anschauungsuntericht nutzen. Auch in Ost-Berlin dürfte der reguläre Unterricht eher die Ausnahme gewesen sein.

Der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meissner traf den Ton nicht ganz. Der frühere Bischof von Berlin-Brandenburg forderte seine ehemaligen Landsleute gestern auf nun zu Hause zu bleiben, Hand anzulegen und das eigene Haus zu bestellen.

Unterdessen kommt in Ost-Berlin die Aufarbeitung vergangener „Fehlentwicklungen“ in Gang. Geht es nach dem Generalstaatsanwalt Günter Wendland, wird es bald einen Volkskammerausschuß zur Untersuchung von Korruption und Funktionsmißbrauch geben. Laut Wendland liegen ihm zahlreiche Klagen vor, die „namentlich bekannten Personen“ persönliche Bereicherung, ungerechtfertigte Vorteilsgewährung oder Vergeudung von Volksvermögen vorwerfen. Vor dem Zentralkomitee erklärte Wendland zudem, es lägen ihm mittlerweile 338 Anzeigen wegen der Polizeiübergriffe bei den Demonstrationen nach dem Republikgeburtstag vor.

Angesichts des freien Reiseverkehrs beugt sich jetzt auch der Verfassungsschutz den neuen deutsch-deutschen Realitäten: ab sofort stellt das Kölner Bundesamt die bisher übliche „Befragung von Übersiedlern“ ein.

In Niedersachsen werden Übersiedler in unterirdischen Hilfskrankenhäusern untergebracht. Taktvoll vermieden es die Meldungen, den eigentlichen Zweck dieser Einrichtungen zu erwähnen - den Katastrophenfall. Die Bundeswehr hat im gesamten Bundesgebiet 100 Kasernen für die Unterbringung von 28.000 Flüchtlingen zur Verfügung gestellt.

Auch in der DDR sieht sich die Armee angesichts der Flüchtlingswelle zivil gefordert. Weil der Einsatz von Soldaten in der Wirtschaft notwendig wird, sollen bis April 1990 keine Reservisten eingezogen werden.

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