: go Margot go
■ Ein Bildungsroman von Dubski und Preiß
3. Zum Icke
Es begann schon dunkel und kühl zu werden, als Margot die erste Kneipe ansteuerte. Doch erst die dritte ließ ihr Platz. Sie setzte sich gegenüber von jemandem. Ein paar wohlig warme Augenblicke später schien es ihr, als wolle der ihr etwas mitteilen. November, Einsamkeit, Tristesse, murmelte es. Das war nicht für sie bestimmt, sondern betraf die Welt, und so ausgemergelt wie er war, schien er von der Welt getroffen worden zu sein, obgleich draußen alle glücklich und grenzenlos jaulten.
Hundert Mark lassen sich schnell verjubeln, und so kann es einem auch gehen, dachte sie furchtsam, doch ein paar Augenblicke später schon schrieb sie an ihre Freundin und berichtete von dem Fiasko mit Hudson. - Das sind doch Menschen, denkt man..., flüsterte ihr Tischnachbar, und Mädchen, die ihre Tage haben, sind gereizt..., schloß Margot ihren Brief und klebte ihn zu und schloß erst einmal die Augen und machte sie dann wieder auf.
Margot saß in der Kneipe Zum Icke auf der roten Insel und hatte gekichert: Icke, das heißt „Ich“. In ganz Berlin. Also bin ich gemeint. Und es roch nach Ochsenschwanzsuppe, dieser dicken: viel Mehl, wenig Schwanz, und Mädchen, die ihre Tage haben, sitzen lange an einem Glas Bier, und jetzt war es schon das dritte - ist es warm, ist es kalt? -, und großes Hallo jetzt am Eingang ließ sie aufwachen. Auch mal wieder im Land, wurde jemand begrüßt. Nach 28 Jahren..., antwortete der. Und sie ertappte sich bei Spekulationen, die ihren Abitursschnitt vorgestern erst - 3,5 mit dem wahrscheinlichen Alkoholpegel des so Hereinschwankenden und der kaputten Mauer in Beziehung und Verhältnis setzten. Dreisatz? - Geb'n Sie mir erst mal 'n Bier und Schnabus, hm, gegen die Kälte, die Pest und die Lepra. - Die Kühlschranktür klickt, das Tulpengläschen stubst auf, aus dem Flaschengießer ploppert es, die Kühlschranktür tönt: Klack. Zum Wohl, Herr Juhnke.“ - „Sie Junker, fahr'n Sie mich hottehüh! krächzte Margots offensichtlich betrunkenes Gegenüber. Sie, Juhnke, Sie großes Weltgenie! Dann gab es Tumulte, und der in der Humboldt-Universität eingeschriebene Philosophiestudent, wie sich später herausstellte, wurde sanft hinausbugsiert und schwor sich, nie mehr in den Westen zu gehen, und trat schnell in die Partei ein. Fortsetzung folg
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