Achtung, die Spione kommen!

■ CDU-JuristInnen luden den Bonner Verfassungsschutz / Festhalten, auch gegen den Zeitgeist

„Angesichts der nach wie vor bestehenden Bedrohung durch RAF -Terroristen und sogenannte autonome Gewalttäter“ wollten sich CDU-Bürgerschaft-Fraktion und der Landesarbeitskreis Christlich-demokratischer Juristen aus erster Hand informieren. Eingeladen hatten sie den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Gerhard Boeden (CDU), gekommen war jedoch dessen Vize Peter Frisch (SPD). Aber was der zu berichten wußte, war so recht nach dem Geschmack der rund 200 Zuhörer.

„Wir werden auch jetzt an dem festhalten, was wir immer für richtig gehalten haben, auch wenn der Zeitgeist anders weht“, begann der Gast aus Köln und zog gleich der Bundesdeutschen aktuellstes Thema mit ein: Wer da glaube, daß die Öffnung der Grenzen nur Vorteile bringe, habe bestimmt noch nicht bedacht, wieviele Spione nun unkontrolliert in die Bundesrepublik kommen würden. Gerade jetzt gelte es, doppelt wachsam zu sein, denn seit dem Beginn der Perestroika habe die Wirtschaftsspionage der Sowjetunion erheblich zugenommen. „Unser“ Know-how sei viel zu teuer, als daß es die SU sich leisten könne,

den Marktwert korrekt zu bezahlen. Deshalb müsse sie es ausspionieren.

Die Öffnung der Grenze zur DDR bringt für den zweithöchsten Staatsschützer eine Vielzahl von Problemen mit sich. Die „Sensibilität“ beispielsweise lasse überall in der Bevölkerung nach: Spione haben jetzt ein leichtes Spiel. Ein unverfängliches Gespräch, ein wissenschaftlicher Austausch auf einem Symposium („Wissenschaftler neigen per se zu Kontakten“) oder gar verwandtschaftliche Beziehungen: Eins, zwei, drei hängt man in den Fängen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Zwar wollte Frisch nicht ausschließen, daß das MfS personell abrüsten wird, doch das gelte nur für den innenpolitischen Bereich.

Mit Mißverständnissen kämpfen die letzten Aufrechten bei der Verteidigung der FDGO. Da habe es doch seitens der Presse böse Unterstellungen gegeben, weil die DDR-Ausreiser vom Verfassungsschutz registriert und überwacht wurden. Dabei habe man doch nur in Zweifelsfällen auf kompetente Auskünfte zurückgreifen wollen! Wird beispielsweise ein Spion enttarnt, der angibt, in der Karl-Marx- Straße in

Dresden gewohnt zu haben, sucht man in der Zentralkartei der Ausreiser einfach einen ehemaligen Nachbarn des Agenten und kann sofort fragen, ob der Herr Spion vielleicht dort bekannt war. Vielen Ausreisern hätte man als Gegenleistung einen Job „im geschützten Bereich“ organisieren können.

Es folgten einige Lektionen Staatsbürgerkunde a la Verfassungsschutz: Die „Rote Zora“ sei eine terroristische Vereinigung, die sich „gegen Gentechnik und andere moderne Fortschrittsinstitutionen“ wendet. Seit der Verhaftung von Ingrid Strobl seien die Aktivitäten dieser Gruppe entscheidend zurückgegangen, was wiederum verdeutliche, wie richtig die Verurteilung von Frau Strobl gewesen sei. „Einen Trend zur Radikalisierung von den Parteien der Mitte weg nach außen“ sieht Frisch seit einigen Jahen. Begonnen habe diese Entwicklung mit der Entstehung der Grünen auf der linken, gefolgt von den Republikanern auf der rechten Seite, wobei ja bekanntlich die Republikaner nicht nachrichtendienstlich beobachtet werden. „Sehr bedauerlich“ findet Frisch das schnelle Vorpreschen des Landes Nordrhein -Westfalen in

dieser Angelegenheit, das könne als Schwäche des Rechtsstaates mißdeutet werden. Und auch der ausländische Terrorismus läßt die bundesdeutsche Sicherheit erschüttern: Hier machen die Nordiren, Kurden („Das müssen in Düsseldorf ja lebenslängliche Strafen werden!“) und Palästinenser den Verfassungsschützern das Leben schwer.

Das ließen sich die ZuhörerInnen gefallen: Artigen Applaus nahm der Referent für seinen Vortrag entgegen, mußte sich aber als Gegenleistung aus dem Auditorium anhören, welche Gründe die Bremer CDU für die Radikalisierung unserer Gesellschaft verantwortlicht macht: Wenn „solche Leute wie Willy Hundertmark“ ohne Protest das Bundesverdienstkreuz angeheftet bekämen, wenn in der Hamburger Hafenstraße die „Akzeptanz der Rechtsverletzung aus Opportunität vor der Gewalt“ praktiziert würde, wenn die Schulen „rein konfliktpädagogisch arbeiten und nicht mehr Fakten vermitteln“, sei es schließlich kein Wunder, wenn der eigene Bundeskanzler - wie letzten Freitag in Berlin geschehen auf so beschämende Weise ausgepfiffen würde. Markus Daschne