Thema DDR

Stefan Heym spricht auf dem Berliner Alexanderplatz davon, „den aufrechten Gang zu lernen“, Christa Wolf weiß von den Wendehälsen zu berichten, „die sich den Gegebenheiten anpassen“. Zu Zehntausenden kommt die Jugend der DDR „flüchtend“ zu uns.

Zu Hunderttausenden demonstrieren andere junge BürgerInnen des deutschen Oststaates für Veränderungen. Ohne Gewalt.

Es mag richtig sein zu erklären, drüben in der DDR seien die gravierendsten Fehler passiert beim Aufbau dessen, was Demokratie genannt wird. Nur erscheint es mir vermessen, nun aus unserer Position hochmütig „auf die andere Seite“ zu weisen und zu sagen: „Seht nur, sie sind gescheitert.“

17 Millionen duckten sich „drüben“ unter der Ideologie der Einheitspartei, deren Repressalien schlimm sein konnten. Eine weit größere Zahl von Menschen duckt sich bei uns unter der Peitsche des Wohlstandes. Wer nicht von ihr gezeichnet ist durch Autobesitz, Urlaubsreisen nach j.w.d. oder gar nur durch modische Kleidung oder Frisuren, gilt oft als VersagerIn.

Politisch anders Denkende gelten bei uns schnell als „Kommunisten“, und unsere Art von Demokratie ist nicht in der Lage, uns vor Leuten vom Schlage Schönhuber zu bewahren. Wir belächeln das DDR-Verbot von Kriegsspielzeug, und bei uns erscheint: „Ich war dabei“.

Bei uns ist es möglich, daß Regierende nach Bitburg wallfahrten und sich am liebsten auch zum Annaberg begeben möchten. Willy Brandts Kniefall ist immer noch „suspekt“. Egon Krenz hat Peking '89 verteidigt; wie hießen doch bei uns die BejublerInnen der vietnamesischen „Freiheitsverteidiger“? Nicaragua zu sagen, bedeutet bei uns, „rot“ zu sein. Wir sagen SS 20 und vergessen Pershing II und Cruise Missile. Es könnte gut passieren, die Wende drüben klappt besser als die unsere von vor ein paar Jahren.

Immerhin möglich, daß dann bei uns einige Leute recht dumm aus der Wäsche gucken werden. Trotz voller Läden und der vorgekauten Meinung.

Frithjof Krause, Lübeck 1