: Rund um die Uhr auf falscher Spur
■ Kaufhausdetektive heben die Gewaltenteilung auf/ Geldstrafe
Böse Überraschung nach dem Einkauf für Frau H. und Herrn S.: Nach Verlassen der Kassenzone im Hause Wertkauf am 5. Januar diesen Jahres wurden sie vom Detektiv der Firma ins Büro gebeten. Der Aufpasser unterstellte den beiden, sie hätten 30 Mark
teuren Wein mit Preisetiketten von 3,95 und 4,95 ausgezeichnet und so unlauter einen Preisnachlaß von insgesamt 128,69 Mark erwirtschaftet. Vor dem Bremer Amtsgericht, das sich nun mit der Sache beschäftigen muß (das Urteil wird erst im nächsten Jahr gefällt), erzählten die beiden Beschuldigten, daß sie die insgesamt fünf Flaschen aus einem Sonderpostenregal im Laden herausgenommen hätten, weil der gleiche Wein dort viel billiger gewesen wäre als der, den sie im regulären Regal gefunden hätten.
Die verdutzten KundInnen unterzogen sich an Ort und Stelle einer Leibesvisitation und zahlten im Büro des Häschers aus Unsicherheit über ihre Rechte erst einmal 50 Mark „Vertragsstrafe“ an die Firma Wertkauf. Ein großes Schild am Eingang weist als Willkommensgruß nämlich jeden Kunden darauf hin, daß das Klauen im Laden gar nicht gerne gesehen wird. Wer's trotzdem nicht lassen kann oder den Anschein erweckt als ob, der verstoße gegen diesen „Vertrag“ und muß
-so will es jedenfalls die Firma - Strafe zahlen. Das gilt dann gleich als Schuldgeständnis.
Doch so leicht wie am Tag der Tat ließen sich die Beschuldigten vor Gericht nicht in die Ecke treiben. Der Detektiv mußte in der Verhandlung zugeben, daß er die KundInnen trotz Hochstand und geheimer Gucklöcher in den Regalen nicht die gesamte Zeit über habe verfolgen können, weil er
sonst möglicherweise als Beobachter aufgefallen wäre. Ein Austausch der teuren Flaschen gegen billige an einem Sonderpostenstand habe demnach durchaus stattfinden können. Auch komme es hin und wieder vor, daß Sonderangebote falsch ausgezeichnet oder die gleichen Weine unterschiedlich ettiketiert würden.
Die Preisschilder in der Lebensmittelabteilung von Wertkauf sind - das hat eine Überprüfung des Gerichts ergeben - in drei Teile perforiert: Das Ablösen eines Etikettes ist wegen der starken Klebe dahinter kaum möglich. Was den Hüter der Güter möglicherweise auf die KundInnen aufmerksam gemacht haben kann, ist die etwas unkonventionelle Art der Weinauswahl, die seit Jahren Herrn S. durch das Labyrinth der verschiedenen Reben
säfte zum schmackhaften Gaumengenuß führt. Neben dem Jahrgang nämlich achtet er bei der Wahl seines Weines auf die Wölbung des Flaschenbodens. „Das hat mit dem Wein selbst nichts zu tun. Aber weil die Flaschen mit gewölbten Boden teurer sind als die mit flachem, kann man davon ausgehen, daß die Weine in den Flaschen auch ganz gut sind,“ teilte der Weintrinker dem staunenden Gericht mit. Diese Regel gelte für italienische, spanische und französische Weine.
Detektive können sich ihr knappes Gehalt durch eine hohe Erfolgsquote aufbessern. Zu den 2000 Mark netto kommt dann immer noch ein kleiner Bonus hinzu: wer beispielsweise mehr als zehn „Fälle“ pro Monat aufweist, bekommt 15 Mark Prämie. ma
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