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Die 'Cahiers‘ geben sich populär

■ In den neuen 'Cahiers du Cinema‘ bleibt zum Glück vieles beim alten

„Wir onanieren nicht mehr“, verspricht eine Anzeige der 'Cahiers du Cinema‘ in der Tageszeitung 'Liberation‘: Die 'Cahiers‘, seit ihrem ersten Erscheinen im April 1951 eine Institution in der französischen Filmszene, ändern ihr Konzept. Personenporträts, mehr Bilder, mehr Farbe, ein gefälligeres Erscheinungsbild, in Layout und Typographie beim 'Rolling Stone‘ abgeschaut. „Keine Tränen, kein Bedauern“, empfiehlt dieselbe Annonce. Damit tut man sich beim ersten Durchblättern allerdings schwer. Stupide Rubriken (die „Filme des Monats“, die „Sequenz des Monats“, das „Bild des Monats“), der Wegfall des 'Petit Journal‘ in der Heftmitte und eine allgemeine Reduzierung der Textfülle scheinen geeignet, die „Sekte der Eingeweihten“ zu vergrätzen: Zuletzt waren es nur noch 31.000 Käufer.

Mit der vor einem Jahr akquirierten Kapitalaufstockung von umgerechnet 600.000 DM unternehmen die 'Cahiers‘ den Versuch, sich zur Publikumszeitschrift zu wandeln. Die November-Ausgabe kommt als das glatte Gegenteil der alten 'Cahiers‘ aus den Siebzigern daher, die zeitweilig sogar aufs Titelbild verzichteten.

Von Gaga-Blättern wie dem deutschen 'Cinema‘ sind die neuen 'Cahiers‘ aber nach wie vor gut zu unterscheiden: Zwölf Seiten für Nanni Morettis Palombella Rossa (ein spannendes Interview über die KPI und über Wasserball), eine halbe für Euzhan Palcys A Dry White Season - die Verhältnisse bleiben gewahrt. Auf drei Seiten läßt sich der Schriftsteller Philippe Sollers darüber aus, warum er nicht mehr ins Kino geht (gerade dreißig Sekunden lang will ihn Glenn Close in Gefährliche Liebschaften interessiert haben), Eric Rohmer schreibt einen Nachruf auf den 'Cahiers‘ -Gründer Jacques Doniol-Valcroze, und Jean Douchet analysiert „Die Langeweile im Kino“: eine Frage des Rhythmus. Ich fühle mich ertappt: Die 135. Ausgabe der 'Cahiers‘ habe ich von der ersten bis zur letzten Zeile gelesen.

Christoph Terhechte

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