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Ping-pong Polizei-Politik

■ Anschluß-Debatte über das Bremer Geiseldrama

„Wir fordern die Polizei auf, ihre Aufgaben in Zukuft besser zu machen.“ Dies war die Schlußfolgerung des SPD -Bürgerschaftsabgeordneten Lothar Koring aus seiner Arbeit im Untersuchungsausschuß Geiseldrama. Nach einem Jahr Vernehmungen wurde der Abschlußbericht gestern im Landesparlament debattiert.

Während die SPD-Vertreter die Schuld bei der Polizei suchten und reichlich fanden, thematisierte die Opposition die politische Verantwortung der letzten Innensenatoren Kröning und Meyer. Genüßlich zitierte Ausschuß- und CDU-Vorsitzender Peter Kudella noch einmal aus einer Polizeiübung, in der Jahre vor der Geiselnahme dieselben Fehler gemacht worden waren wie beim Ernstfall am 17.8.1988. Die SPD-Fraktion ließ aber weder Kröning noch Meyer sich erklären.

Der FDP-Vertreter van Nispen führte als Beispiel für die fehlende politische Führung eine Ausführungsbestimmung zum Polizeigesetz an. Den durch die CDU immer wieder in die Debatte gebrachten „Todesschuß“ hatte das Polizeigesetz 1983 untersagt - nur „angriffs- und fluchtunfähig“ dürfe ein Täter geschossen werden. Einen Monat nach dem eindeutigen Landtagsbeschluß gab es eine noch heute gültige Ausführungsbestimmung, nach der der gezielte Todesschuß „mißbilligend in Kauf genommen werden“ könne. Ein eindeutiger Verfassungsbruch, wertete gestern der FDP -Vertreter. Innensenator Peter Sakuth wollte sich dazu trotz Nachfrage nicht äußern; er kündigte nur an, der Erlaß werde geändert. Im Juni 1989 noch hatte der Polizeirechts-Referent des Innenressorts an die Polizeiführung mit Hinweis auf den Erlaß geschrieben, der Todesschuß sei in Bremen gesetzlich erlaubt. „Den Brief gibt es nicht“, erklärte gestern der Innensenator - der Brief wurde offiziell zurückgezogen.

Zu dem Thema „finaler Rettungsschuß“ war sich sie SPD -Fraktion mit den Grünen einig. „Widerwärtig“ fand Lothar Koring das Wort, weil es den Todesschuß verschleiert. Und der Grüne Martin Thomas nannte den angeblichen Rettungsschuß eine „Todesstrafe ohne Strafurteil“. Thomas fragte auch nach den Wertentscheidungen, wenn die Gefährdung von Menschenleben höher bewertet wird als das von den Bankräubern geforderte Geld. Zwei tote Geiseln habe es gegeben und einen toten Polizeibeamten, nur weil die Polizei den Tätern den zugesicherten freien Abzug mit der Beute nicht gewähren wollte: „Den Tätern geht es um nichts anderes als um Geldscheine.“ Thomas problematisierte auch die Sicherungsanlagen in den Banken, die Geld schützen und Bankräuber provozieren, zu ihrem Schutz Geiseln zu nehmen. Der bremische Regierungschef, Bürgermeister Klaus Wedemeier (SPD), bezeichnete das Geiseldrama „für die betroffenen Menschen, aber auch für uns alle“ als ein großes Unglück. Die Feststellung des Untersuchungsausschusses, es habe an Fach- und Dienstaufsicht gefehlt, könne vom Senat allerdings nicht akzeptiert werden. Die entscheidenden und leider nicht eingehaltenen Dienstvorschriften seien von den früheren Innensenatoren Volker Kröning und Bernd Meyer schon lange vorher erlassen worden.

K.W.

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