Demo-Export gegen Giftmüll-Import

■ Am Sonntag versammeln sich DemonstrantInnen aus Ost und West vor dem Schöneberger Rathaus / OstberlinerInnen tragen Protest gegen West-Berliner Giftmüllexport zurück über die Grenze

Nach jahrzehntelangem Müllexport aus West-Berlin in die DDR tragen Ostberliner Demonstranten den Protest nun das erste Mal zurück über die Grenzen. Am Sonntag ziehen Öko-Gruppen aus Ost- und West-Berlin gemeinsam vor das Schöneberger Rathaus, um die Westberliner Giftmüllexporte in die DDR anzuprangern. Mindestens 100 Ostberliner wollen mit Plakaten und Transparenten vor dem Westberliner Regierungssitz aufkreuzen, so schätzte gestern Mario Hahmel vom Ostberliner Öko-Netzwerk „Arche“. Lutz Helmke von der Westberliner BUND -Jugend registrierte beim Verteilen von Flugblättern in der FU „relativ großes Interesse“. Nach der gestrigen Studenten -Demonstration in Ost-Berlin wird die Anti-Müll-Demo die zweite grenzüberschreitend organisierte Versammlung sein und die erste, die auf dem Boden von West-Berlin stattfindet.

In fast gleichlautenden Flugblättern werben die Umweltschützer in beiden Stadthälften für die Demo. Sie rufen den Senat und die DDR-Regierung dazu auf, die Giftmülltransporte auf die DDR-Deponie Vorketzin sofort zu stoppen. Außerdem verlangen die Demo-Organisatoren, alle vorhandenen Meßdaten zu den Deponien und der Sondermüllverbrennungsanlage Schöneiche zu veröffentlichen. Diese Anlage stößt, wie gemeldet, zuviel Dioxin und Quecksilber aus. Ost-Berliner Medien war der Aufruf für die Demonstration schon vor einigen Tagen zugegangen. Bis heute hätten die Zeitungen und Rundfunkstationen jedoch nichts davon gemeldet, kritisierte Hahmel. „Man will sich nicht mit den Leuten auf der anderen Seite anlegen.“ Für die DDR seien die Müllimporte aus West-Berlin und Westeuropa ein „gutes Geschäft“, erinnern Ostberliner Öko-Experten.

Wie mehrfach berichtet, ist die in den 70er Jahren gebaute Müllkippe in Vorketzin auch nach Ansicht des rot-grünen Senats für Giftmüllablagerungen eigentlich nicht geeignet. Dennoch wurden dort bisher 40.000 Tonnen Sondermüll pro Jahr ausgeladen. Erst Anfang nächsten Jahres will Umweltsenatorin Schreyer den Transport flüssiger, wassergefährdender Stoffe nach Vorketzin stoppen.

Ihren Forderungskatalog hatten die Öko-Gruppen aus Ost und West schon am 8.November veröffentlicht. Es sei eine „Schweinerei“, sagte Hahmel, daß Senat und DDR-Regierung bis heute nicht darauf reagiert hätten. „Man kann nicht sagen, daß die Senatorin auf diese Forderungen nicht reagiert hat“, meinte Schreyers Sprecher Rogalla gestern. Er verwies auf einen Besuch, den die Senatorin am Mittwoch abend einer Umweltschützer-Veranstaltung in Potsdam abgeleistet hatte. „Schreyer wird am Sonntag zur Demonstration kommen“, kündigte Rogalla an.

hmt