: Mörderische Geheimtrupps gegen den ANC
Südafrikanische Sicherheitspolizei unterhielt Sondereinheiten, die Anschläge gegen Anti-Apartheid-Aktivisten verübten / Ein Insider packt aus / Erster Hinweis aus der Todeszelle / Vermutungen der Oppostion bestätigt / Behörden leiteten Untersuchung ein ■ Aus Johannesburg Hans Brandt
Südafrikas Sicherheitspolizei unterhältmindestens seit Anfang der achtziger Jahre geheime Sondereinheiten, die systematisch Anti-Apartheid-Aktivisten ermorden. Das sagte Hauptmann Dirk Coetzee, ehemaliger Befehlshaber einer solchen Einheit, gestern in einem Interview mit der oppositionellen burischen Wochenzeitung 'Vrye Weekblad‘. Prominenteste Opfer von Coetzees Einheit waren der vor acht Jahren in der Hafenstadt Durban ermordete Menschenrechtsanwalt Griffiths Mxenge und Ruth Frist, die Frau des Generalsekretärs der südafrikanischen kommunistischen Partei, Joe Slovo.
Coetzee behauptet auch, daß ein Bombenanschlag auf das Büro des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) 1982 in London von südafrikanischen Polizisten verübt wurde. „Der Sprengstoff, mit dem das ANC-Büro in die Luft gejagt wurde, ist als diplomatische Post an die südafrikanische Botschaft nach London geschmuggelt worden.“ Auch Angriffe auf ANC -Mitglieder und ANC-Häuser in Südafrikas Nachbarländern Lesotho und Swasiland wurden von Coetzees Einheit verübt. „Ich kenne die tiefsten Geheimnisse dieser Einheit, die über dem Gesetz stand“, erklärte Coetzee. „Ich selbst bin zahlreicher Morde, die wir verüben mußten, schuldig oder zumindest mitschuldig.“ Coetzees Einheit bestand aus einem weiterem weißen Offizier, zwei schwarzen Sicherheitspolizisten und vier ehemaligen ANC-Guerillas, die von der Polizei gefangen und „umgedreht“ worden waren. Aus Angst vor Konsequenzen seiner Beteiligung an den Morden hat Coetzee Südafrika verlassen.
Coetzee zufolge wissen zahlreiche führende Polizisten von der Existenz der Sondereinheit, die ihr Hauptquartier auf einer Farm in der Nähe von Pretoria hat. Er nennt unter anderen den ehemaligen Leiter der Polizei und jetzt südafrikanischen Diplomaten, General Johan Coetzee. Der Leiter der forensischen Abteillung, General Lothar Neethling, soll die Einheit mit Gift versorgt haben.
Coetzee ging auch auf Einzelheiten ein: Aufträge für die „Entfernung“ bestimmter Aktivisten kommen in der Regel von der Sicherheitspolizei in der Region, in der die Opfer leben. Der Mord an Mxenge wurde Coetzee zufolge vom Leiter der Sicherheitspolizei in der Provinz Natal, Brigadegeneral Van der Hoven, angeordnet. Mxenge wurde von den schwarzen Mitgliedern der Einheit erstochen, seine Ohren wurden abgeschnitten und alle Wertsachen wurden von der Leiche entfernt, um den Angriff als Raubmord zu tarnen.
Die Polizei scheint allerdings wiederholt Schwierigkeiten mit den „umgedrehten“ Guerillas gehabt zu haben. Coetzee berichtet von verschiedenen Fällen, in denen unliebsame Mitarbeiter der Einheit in abgelegenen Gegenden durch Kopfschuß umgebracht und dann verbrannt wurden. Die Asche wurde zum Teil in Flüsse gestreut. Auch ein Gewerkschafter, der in Polizeigefangenschaft schwer mißhandelt wurde, wurde ermordet und verbrannt, um die Aufdeckung von Folter zu vermeiden. Verschiedene Polizeioffiziere waren an all diesen Morden beteiligt. Oppositionsorganisationen vermuten seit Jahren, daß es sich bei den mindestens 43 belegten Morden von Aktivisten in den letzten Jahren um Operationen der Polizei handelte. Obwohl die Polizei immer angibt, all diese Morde zu untersuchen, ist noch nie ein politischer Mordfall gelöst worden. Erste Angaben über die Existenz der Mordeinheiten machte vor drei Wochen der ehemalige Polizist und Mitarbeiter Coetzees Almond Nofomela. Er war für den Mord an einem weißen Farmer zum Tode verurteilt worden. Kurz vor seiner Hinrichtung gab er Anwälten eine schriftliche Erklärung, in der er seine Beteiligung an verschiedenen von der Polizei durchgeführten Morden detaillierte. Daraufhin wurde seine Hinrichtung verschoben. Die Polizei hat eine interne Untersuchung von Nofomelas Vorwürfen eingeleitet. Sie bestätigte, daß Coetzee Mitglied der Sicherheitspolizei war.
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