: Vertrauenskrise im Delmenhorster DGB
■ Der Ortskartelll-Vorstand legte die Ämter nieder
Zu einer schweren und tiefgreifenden Vertrauenskrise ist es innerhalb des Deutschen Gewerkschaftsbundes im ehemaligen DGB-Kreis Delmenhorst-Wesermarsch-Oldenburg/Land gekommen. Der Vorstand des DGB-Ortskartell Delmenhorst hat seine Ämter geschlossen niedergelegt und dies unter anderem damit begründet, daß mit dem bisherigen DGB-Kreisvorsitzenden Günther Weers keine gedeihliche Zusammenarbeit mehr möglich sei. Die Mitglieder des Ortskartells, dem Delegierte der Einzelgewerkschaften angehören, kamen überein, daß sie sich erst wieder aktiv an der Arbeit des DGB beteiligen, wenn im Rahmen einer Neuordnung der DGB-Kreise ein neuer Kreisvorsitzender gewählt worden ist, der das Ortskartell zu Neuwahlen einberuft. Die Wahl eines neuen DGB -Kreisvorsitzenden ist für den 18. November in Oldenburg vorgesehen. Dabei wird der bisherige DGB-Kreis Delmenhorst -Wesermarsch-Oldenburg/Land dem DGB-Kreis Oldenburg zugeordnet, der zum größten Gewerkschaftskreis Niedersachsens avanciert.
Die jetzt öffentlich gewordenen Kontroversen sind der Schlußpunkt einer Vielzahl von Auseinandersetzungen zwischen dem Ortskartell und den ehemaligen DGB-Kreisvorsitzenden, der seit Bekanntwerden der DGB-Neuordnungspläne die Stelle eines Organisationssekretärs in der Wesermarsch anstrebt. In einer Versammlung des Ortskartells wurden jetzt schwere Vorwürfe gegen Weers erhoben, dem unter anderem angelastet wird, zu wenig für die Erhaltung des DGB-Sitzes in Delmenhorst unternommen zu haben. Dabei erfüllt der am 8. 11. aufgelöste DGB-Kreis alle Voraussetzungen.
Der bisher amtierende Vorsitzende des DGB-Ortskartell, Heinrich Schmidt. „Es ist ein Skandal ohne Beispiel, daß in einer traditionellen Arbeiterstadt wie Delmenhorst der Deutsche Gewerkschaftsbund bis zur Bedeutungslosigkeit herunterge- wirtschaftet wurde.“ Der bisherige DGB-Kreisvorsitzende Weers wird außerdem mitverant
wortlich gemacht für den Verkauf des hypothekenfreien Gewerkschaftshauses an eine benachbarte Bank. Mehrere kleinere Einzelgewerkschaften befürchten nun, daß sie in Zukunft ihre Versammlungen wie einst um die Jahrhundertwende in den Hinterzimmern von Gaststätten abhalten müssen.
Ein weiterer Vorwurf betrifft die Feiern zum Antikriegstag. Der DGB hatte zu einer zentralen Kundgebung in Elsfleth aufgerufen, während mehrere Einzelgewerkschaften eine örtliche Veranstaltung in Delmenhorst organisieren wollten, die sich besonders an die Jugendlichen richten sollte. Weers intervenierte, und städtische Räume durfen nicht genutzt werden. Die Veranstaltung konnte dennoch stattfinden, weil der IG-Medien-Vorstand die Verantwortung übernahm.
In einem Vorstands-Protokoll drehte Weers den Spieß um, indem er die Schuld am schlechten Verlauf der Antikriegsveranstaltung dem DGB-Kreisvorstand anlastete. Der ehemalige Vorsitzende des DGB-Ortskartells, Heinrich Schmidt dazu: „Es gab keinen Beschluß, daß in Delmenhorst kein Antikriegstag organisiert werden dürfe. Wir hätten uns als erwachsene und mündige Gewerkschaftsmitglieder einen solchen Beschluß auch verbeten. Günther Weers hat den Vorstand (...) vorsätzlich über den wahren Sachverhalt getäuscht.“ Unterdessen hat sich in Delmenhorst eine aus Mitgliedern mehrerer Einzelgewerkschaften bestehende Gruppe „kritischer Gewerkschafter“ gebildet, die fordert, daß der Deutsche Gewerkschaftsbund auch in Zukunft in Delmenhorst personell vertreten ist. Eine Besetzung dieser Stelle mit dem ehemaligen DGB-Kreisvorsitzenden Günther Weers werde jedoch strikt abgelehnt, weil Weers nicht mehr das Vertrauen der Delmenhorster Gewerkschaften besitze, erklärte ein Sprecher der Gruppe. Auch der SPD-Unterbezirk Delmenhorst hat inzwischen signalisiert, daß er an einer kontinuierlichen Arbeit des DGB in Delmenhorst interessiert ist.
Peter Vogel
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