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Bulgarien steht auf

■ 50.000 bei erster freien Demonstration in Sofia seit 45 Jahren Der neue Parteichef Mladenow hält freie Wahlen für möglich

Sofia (afp/ap/dpa) - Auf der bisher größten Kundgebung im kommunistischen Bulgarien haben am Samstag 50.000 Menschen in Sofia freie Wahlen und demokratische Verhältnisse gefordert. Die Versammlung auf einem Platz vor der Alexander -Newski-Kathedrale war von Menschenrechts- und Umweltschutzgruppen organisiert und von den Behörden genehmigt worden.

Die Menschenmenge rief: „Wir wollen Demokratie“, „Wir wollen freie Wahlen“, „Wir wollen eine neue Verfassung“. Auf anderen Transparenten war der am Freitag endgültig entmachtete bisherige Staats- und Parteichef Todor Schiwkow hinter Gittern und mit Hitler-Bärtchen dargestellt worden.

Zum Abschluß der dreistündigen Veranstaltung nahm die Menge per Handzeichen eine Erklärung an. Darin werden ein Ende der Korruption, die Abschaffung der Zensur, die Freilassung politischer Häftlinge, eine Garantie für Religionsfreiheit und die Beendigung polizeilicher Unterdrückungsmaßnahmen verlangt.

„Dies ist die Rückkehr der Demokratie in Bulgarien und ein Wunder, wie wir es seit 45 Jahren nicht erlebt haben“, sagte der Geistliche Hristofor Sebec von der Umweltschutzgruppe Ecoglasnost. Die Menge forderte ein gerichtliches Vorgehen gegen den ehemaligen Staats- und Parteichef.

Der neu gewählte Parteichef Mladenow hatte am Freitag in einem Interview erklärt, daß freie Wahlen in seinem Land „gewiß möglich“ seien. Mladenow sagte: „Was mich angeht, ich bin für freie Wahlen.“

In der Sitzung der Sofioter Nationalversammlung, in der am Freitag Schiwkow als Staatsratsvorsitzender abgelöst und der neue Parteichef Mladenow zum Nachfolger gewählt worden war, hatte letzterer in seiner Antrittsrede radikale Veränderungen im politischen und wirtschaftlichen Leben angekündigt. Einzelheiten nannte Mladenow aber nicht. Die Nationalversammlung strich den Artikel 273 des Strafgesetzbuchs, der Verleumdungen von Staat und Partei ahndete. Dies bedeutet, daß die unabhängigen Gruppen, die bisher von der Polizei verfolgt wurden, mehr Bewegungsfreiheit bekommen.

Zum ersten Mal wurde ein Umweltministerium geschaffen und damit einem Wunsch breiter Bevölkerungskreise entsprochen. Der Abgeordnete Slawtscho Trnski hatte in der Debatte der Nationalversammlung dem bisherigen Staats- und Parteichef vorgeworfen, Bulgarien in eine gewaltige Wirtschaftskrise gestürzt, selbst aber einen aufwendigen Lebensstil gepflegt zu haben. Die volle Wahrheit darüber müsse ans Licht. Schiwkow verfüge über insgesamt 30 Landhäuser, und einen solchen Aufwand könnten sich nicht einmal die reichsten Länder der Welt leisten, sagte Trnski.

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