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Filipinos essen alles

■ Ein Seemann berichtet vom Zweitregister: Braune und weiße Seeleute fahren auf der „Zetagas“

Der Tanker „Zetagas“ der Bremer Reederei Sloman Neptun lag vor Stade auf Reede. Eine Barkasse ging längsseits, an Bord sieben filipinische Matrosen mit ihrem spärlichen Gepäck. Sie kletterten auf den Tanker, im Gegenzug stiegen sechs deutsche Seeleute hinunter in die Barkasse. Damit war das Gesetz über das zweite Deutsche Schiffahrtsregister erstmals angewendet worden. Es erlaubt bundesdeutschen Reedern, ausländische Seeleute zu den billigen Löhnen ihrer Heimatländer zu beschäftigen. Die Sloman-Neptun-Reederei setzte damals noch eins drauf: Sie schloß mit einer filipinischen Scheingewerkschaft einen Tarifvertrag ab, dem zufolge die sieben frisch angeheuerten Seeleute keinerlei Arbeitnehmerrechte genießen. Sie dürfen sich ihre Gewerkschaft nicht frei wählen, sie dürfen sich nicht an den Betriebsrat wenden, und wenn sie Vorgesetzte „beleidigen“, oder „unge

horsam“ sind, werden sie fristlos entlassen.

Seit dem Seeleute-Tausch auf der Unterelbe ist ein knappes halbes Jahr vergangen. Werner zu Jeddeloh, Elekrotechniker an Bord des Tankers, berichtet über die neuen Kollegen: „Sie sind den Vorgesetzten und allen Deutschen gegenüber sehr unterwürfig. Wir versuchen natürlich, sie nicht von oben herab zu behandeln. Aber wir wissen ja, daß sie praktisch wie Sklaven gehalten werden. Man hat ein schlechtes Gewissen. Denn für die gleiche Arbeit bekommen sie nur ein Drittel des Lohns.“

Der Betriebsrat der Reederei hat von Anfang an versucht, die Einstellung der Filipinos wieder rückgängig zu machen. Am Mittwoch der vergangenen Woche wurde vor dem Bremer Arbeitsgericht verhandelt. Der Betriebsrat hatte zwar geltend gemacht, daß das Gesetz und damit die Praxis der Reederei dem Gleichheits

grundsatz des Grundgesetzes widerspreche. Zuständig fühlt sich das Bremer Arbeitsgericht aber nur für konkrete arbeitsrechliche Fragen. Zum Beispiel: Hat die Reederei den Betriebsrat vor ihrem Überraschungscoup auf der Unterelbe ordnungsgemäß „angehört“? Hatte er Gelegenheit, sich von der Qualifikation der neuen Kollegen ein Bild zu machen? Neu in die Verhandlung hatte der Betriebsrat ein listiges Argument eingeführt: Als die Reederei 1985 Schiffe verkaufte und Leute entließ, hatte sie mit dem Betriebsrat vereinbart, daß bei Neueinstellungen die Entlassenen Vorrang haben sollten. Dennoch wurden nun die filipinischen Matrosen eingestellt. Ein Urteil wird es erst Anfang Dezember geben. In den nächsten Wochen wird sich auch das Arbeitsgericht in Hamburg mit dem Zweitregister beschäftigen. Zwei Hamburger Reedereien haben Ausländer nach den billigen Tari

fen ihrer Heimatländer eingestellt - gegen den Widerspruch ihrer Betriebsräte.

Mit wirtschaftlicher Not haben die Reeder ihren Wunsch nach einem zweiten Schiffahrtsregister in den vergangenen Jahren begründet, doch inzwischen geht es ihnen glänzend. Die Flotten sind ausgelastet und die Frachtraten gestiegen. Händeringend suchen die Reeder nach Seeleuten, besonders filipinischer Herkunft. „Der filipinische Markt ist leergefegt“, sagt Ali Memon, Inspektor des „Internationalen Transportarbeiterverbandes in Bremen. „Sie waren die ersten, die auf europäischen Schiffen angeheuert haben, sie sind fleißig und: Sie essen alles, also auch europäische Küche. Und wenn filipinische Seeleute Streit mit dem deutschen Reeder bekommen, dann halten die Behörden nach wie vor zum Reeder. Das war unter Marcos so und ist unter der neuen Regierung genauso. m

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