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Getrennt wohnen ja, aber gemeinsam leben...?

■ Eine Mieterversammlung im Schöneberger „Sozialpalast“ diskutierte das Thema gemeinsame Freizeitaktivitäten in der Wohnmaschine / Nur neun von 1.500 kamen / Kinder verwahrlosen und zerstören ihr Umfeld / Kann den Erwachsenen auch geholfen werden?

Der Film zeigt, was alle denken, warum sie überhaupt hier sind. Dreck, Ungeziefer, Kriminalität - Klagen der Bewohner des „Sozialpalastes“, die die „Arbeitsgemeinschaft für Sozialplanung und angewandte Stadtforschung“ (AG SPAS) 1988 mit der Videokamera festgehalten hat. Über ein Jahr später, im November '89 nun, Nicken bei den Zuschauern: An den Wohnverhältnissen hat sich nichts geändert.

„Freizeitaktivitäten im Sozialpalast - auch einmal gemeinsam mit Ihrem Nachbarn“ hieß das Thema eines von SPAS veranstalteten Abends, und vielleicht gerade deswegen fanden nur neun von 1.500 Bewohnern den Weg zu dieser zweiten Mieterversammlung auf Einladung der Stadtforscher. Tags zuvor, als die Proteste gegen die „unmenschliche Wohnmaschine“ - die Ecke Pallas-/Potsdamer Straße - auf dem Programm standen, war der Raum voll. Immerhin 50 von etwa 1.800 Mietern aus 18 Nationen „kotzten“ sich da aus.

„Bedarfsgerechte Infrastrukturangebote und Aufwertung ihrer konkreten Wohnumfeldbedingungen“ schlägt die Arbeitsgemeinschaft neudeutsch-soziologisch in ihrem vom Bezirksamt Schöneberg in Auftrag gegebenen Gutachten als Konzept vor - und trifft damit auch auf Zustimmung. Konkret an Geselligkeit aber denkt bislang niemand. Das, was vor der eigenen Haustüre liegt, sei so, „daß wir nicht nach draußen gucken wollen“, begründet ein Mieter diese Verweigerung.

Freizeit am Kleistpark? Zögernd meint ein türkischer Vater: „So viel Häuser hier, daß wenig Platz für Kinder.“ Ja, Kinder: Da ist man sich einig. Kinder stören und zerstören, erzählt eine „genervte“ Frau, ohne zu vergessen, daß die Umgebung da wohl eine Rolle spiele. Arbeitslosigkeit, Gewalt und Schuleschwänzen sind nicht nur die deutlichsten Wirkungen von „Wohnen am Kleistpark“, zur Abhilfe für die Kinder fällt der AG SPAS wie auch den Anwohnern am meisten ein. Hausaufgabengruppe, Werkstatt, Spielplatz - die Wirklichkeit im Beton könnte für die Kleinen eine andere sein.

Und für die Erwachsenen? Gemeinsamkeit heißt für sie erst mal Protest - gegen die Willkür der Hausverwaltung, gegen die Verwahrlosung, für mehr Grün. Am liebsten würden sie ausziehen, alle im Saal haben resigniert. Nur langsam begreifen einige im Verlauf des Abends, daß sie selbst etwas ändern sollten. Schließlich: „Ich glaube schon, daß ich dabei sein würde, wenn wir eine Hausgemeinschaft gründen“, demonstriert einer seine Entschlossenheit. Doch die Hilflosigkeit bleibt offensichtlich. „Wieviel Leute bräucht's denn da?“ fragt eine Frau an. Hathumar Drost von den Sozialplanern beruhigt: „Wir sind ja erst mal auch noch da.“

Hoffnung, daß die Eigeninitiative der Mieter wieder aktiviert werden kann, haben die Gutachter allemal. Manuela Rhode: „Die Fluktuation der Mieter nimmt ab. Auszug als Ausweg können die Mieter angesichts der allgemeinen Wohnungsnot inzwischen getrost vergessen.

Martin Reichel

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